Als Josh beim Durchstreifen des Waldes ein Vogelnest auf dem Boden findet und in der Höhe verankert, wird klar: Der Mann hat was für Mutter Natur übrig. Jedoch trägt jene Zuneigung bedenkliche Züge. Zusammen mit Dena kauft er ein Boot; allerdings nicht, um seine Freizeit zu gestalten – man möchte das Wasserfahrzeug zum Sprengkörper umfunktionieren und einen Staudamm in die Luft jagen. Der Umwelt zuliebe.
Solchen Plan verrät Regisseurin Kelly Reichardt ebenso schnell wie nachhaltig, inklusive beispielsweise Revolutionsaufruf bei der Vorführung eines Fast-schon-Propagandafilms in kleinem Rahmen. Die Kamera sieht sich dabei der abwartenden Betrachterrolle zugetan, verharrt oft bewegungslos, dokumentiert das Geschehen aus der Distanz. Was leider gleichsam für die zwei selbsternannten Schutzpatrone gilt, über deren Charaktere nahezu nichts zu erfahren ist. Aktivismus muß den einzigen Beweggrund liefern, Identifikationsmöglichkeiten suche der Zuschauer bitte selbsttätig.
Reichardt legt fortan viel Wert darauf, die Vorbereitungen minutiös zu schildern – ausgedehnte Einkäufe oder gestelzt wirkende sowie leider mäßig synchronisierte Gespräche inklusive. Schließlich der Anschlag, schlecht zu Ende gedacht indes, etwas Furchtbares geht schief. Von nun an gerät der bis zum Stillstand entschleunigte, mal mehr, mal weniger erfolgreich auf beklemmende Atmosphäre setzende Thriller zum Psychodrama. Und würde profitieren, wenn die Hauptdarsteller überzeugten. Aufmerksamen Lesern springt das Wörtchen „wenn“ entgegen, und tatsächlich – relative Fehlanzeige.
Sowohl Jesse Eisenberg mit stetig dumpf brütender Miene noch eine Dakota Fanning am Rand des schuldbewußten Zusammenbruchs wissen emotionale Abgründe zu verkörpern, geistiges Ausrasten zu transportieren. Wobei der Fairneß halber gesagt sein muß: Etwas vorgeschriebenes Geheul, die Forderung nach gebrochener Stimme und dekorativ eingeblendete leere Flaschen zwecks Veranschaulichung das Vergessen fördernden Alkoholkonsums bilden bloß hohle darstellerische Steilvorlagen, da macht es sich Reichardt oft sehr leicht. Daher kann die Klimax wegen psychologischer Unzulänglichkeit ebenfalls kaum verstören.
Franklin D. Roosevelt wußte einst: „Ein Radikaler ist ein Mensch, der mit beiden Beinen fest in der Luft steht.“ Schade, daß auch dieser gut gedachte Film schließlich die Bodenhaftung verliert.
Originaltitel: NIGHT MOVES
USA 2013, 112 min
FSK 12
Verleih: MFA
Genre: Thriller, Drama
Darsteller: Jesse Eisenberg, Dakota Fanning, Peter Sarsgaard, Logan Miller
Regie: Kelly Reichardt
Kinostart: 14.08.14
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...