Originaltitel: NIGHTCRAWLER
USA 2013, 117 min
FSK 16
Verleih: Concorde
Genre: Thriller
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Bill Paxton, Rene Russo
Regie: Dan Gilroy
Kinostart: 13.11.14
Wer blinzelt, hat Angst. Wer Angst hat, hat Gefühle. Und wer die zeigt, der ist nicht hart genug. Nicht für diesen Job. Und im Grunde auch nicht für diese Welt. Kein Vorwurf, den man Lou Bloom machen muß. Lou blinzelt nicht, nie, denn Lou ist ein Prachtexemplar an Ehrgeiz und Zielstrebigkeit. Emotional hart geschmiedet und geistig kalt geschliffen mit den Karrieremantras des Ich-schaff-es-nach-oben, die Lou gerne im Stakkato-Tonfall predigt. Ein Typ, der vorexerziert, was man sein muß, um wirklich richtig Erfolg zu haben: Ein Soziopath, befreit von aller Empathie und moralischen Skrupeln.
Natürlich: Darin schwingt satirische Überzeichnung, aber das Beklemmende an Dan Gilroys Regiedebüt NIGHTCRAWLER ist, wie glaubwürdig diese Überzeichnung ist. Was sich maßgeblich einem Jake Gyllenhaal verdankt, der hier als Lou Bloom die bisher abgründigste Rolle seiner Karriere spielt. Und das mit der Intensität emotionaler Eiseskälte. Dieser Lou ist einer, der von sich überzeugt ist. Der weiß, daß er es zu etwas bringen kann. Einsam lebt er irgendwo in einer der schlechteren Gegenden von Los Angeles, hält sich mit kleinen Gaunereien über Wasser und wartet auf seine Chance, auf die passende Gelegenheit. Die kommt, als er eines Nachts Zeuge eines Autounfalls wird und erleben darf, wie ruckzuck ein Kamerateam zur Stelle ist, um die blutigen Details aufzunehmen. Auf daß die sensationshungrigen Frühstücksfernsehen-Konsumenten damit gut in den Tag kommen. Ein lukratives Geschäft, wie Lou schnell begreift. Es ist die Chance, die Gelegenheit, auf die er gewartet hat.
Und wie Lou diese Chance nutzt, das zeigt NIGHTCRAWLER fortan in perfider Konsequenz. Bloom, bald mit einer Kamera bewaffnet, mischt schnell mit im Zulieferbusineß für einen lokalen TV-Sender, wird zur Kapazität für die besonders krassen Bilder von Unfällen, aber besser noch – die Quote gibt die Vorgaben – von den fast allnächtlichen Gewaltverbrechen im Großstadtmoloch. Wie Bloom dabei zunehmend die Grenze vom passiven Beobachten zum aktiven Manipulieren überschreitet, erscheint geradezu logisch. Der ethisch-moralische Abstieg forciert den Karriereaufstieg. Er geht diese beiden Wege, die im Grunde ja einer sind, im wahrsten Sinne über Leichen. Und das ganz ohne zu blinzeln.
Es sind diese aufgerissenen Augen, mit denen einen Gyllenhaals Bloom von der Leinwand immer wieder anstarrt, einen justiert, als würde man selber schon als potentielles „Nachrichtenopfer“ vermessen. Kameramann Robert Elswitt, der schon THERE WILL BE BLOOD oder GOOD NIGHT, AND GOOD LUCK erstklassig fotografierte, zeigt diesen Blick als hypnotisches Heranrücken und setzt dem die Distanz schaffenden Großstadtnacht-Totalen einer klassischen Film-noir-Verlorenheit entgegen.
Das ist visuell absolut stilsicher, gerade auch im Kontrast zu den plump und obszön draufhaltenden News-Bildern, die den Film durchziehen. Womit dieser sein Sujet nicht nur inhaltlich, sondern auch ästhetisch souverän aufbereitet. Mit einem Thriller, der spekulativ und realistisch zugleich ist. Und der emotional wirkt, gerade in der Kühle seiner Inszenierung.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.