„Wir können keine andere Gesellschaft erreichen, wenn wir es immer wieder mit einem Spiegelbild der gegenwärtigen Gesellschaft versuchen.“, sagt Penny Rimbaud, der Schlagzeuger der britischen Anarcho-Punkband CRASS, die in den 70er und 80er Jahren eine der Galionsfiguren des DIY waren. Das Kürzel DIY steht für „Do It Yourself“, und das Selbermachen bezieht sich nicht nur aufs Musikmachen, sondern aufs ganze Leben. Im DIY gibt es keine Trennung zwischen Theorie und Praxis – die Bands organisieren ihre Touren selbst, machen politische Demos und Soli-Konzerte, drucken T-Shirts, leben in Kommunen und versuchen vieles, wenn nicht gar alles, anders zu machen als der Mainstream.
NOISE AND RESISTANCE ist ein Film über die vitale und sehr globale DIY Szene, und die Doku ist dem DIY-Spirit selbst verpflichtet. Der Film versammelt eine erkleckliche Anzahl spannender Protagonisten aus Moskau, Barcelona, Großbritannien, Deutschland und Schweden. Leider merkt man, zumindest in der ersten Hälfte, daß es gar nicht so einfach ist, alles „anders“ und “besser“ zu machen. Hier bleibt die Doku viel zu dicht an der herkömmlichen TV-Dramaturgie: Alle 40 Sekunden wechseln die Interviewpartner, unterbrechen wieder ein neuer Konzertmitschnitt oder Bilder einer Hausbesetzung die Entwicklung der Gedanken. Erst als die russische DIY-Szene in den Blick genommen wird, findet der Film seinen Rhythmus und läßt den Zuschauer erahnen, daß hinter dem DIY-Gedanken deutlich mehr steckt als selbstgemalte Plakate und Pogo.
Die Szene in Moskau kämpft zwar mit den gleichen Themen wie die Aktivisten auf den deutschen Wagenplätzen oder in den schwedischen Wäldern, aber der Gegenwind, der ihnen entgegenschlägt, ist ungleich harscher. Lag es am erhöhten Windwiderstand oder daran, daß die beiden DIY-Filmerinnen erst eine Weile brauchten, um zu sich zu kommen: Hier gelingt es dem Film, vom interkontinentalen Punk-Potpourri zu einer stringenten Erzählung zu kommen, in deren Verlauf deutlich wird, daß ein bißchen mehr vom DIY-Gedanken nicht nur Liebhabern schneller, lauter Musik zugute kommen würde.
D 2011, 91 min
FSK 12
Verleih: Neue Visionen
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Francesca Araiza Andrade, Julia Ostertag
Kinostart: 16.06.11
[ Luc-Carolin Ziemann ] Carolin hat ein großes Faible für Dokumentarfilme, liebt aber auch gut gespielte, untergründige Independents und ins Surreale tendierende Geschichten, Kurzfilme und intensive Kammerspiele. Schwer haben es historische Kostümschinken, Actionfilme, Thriller und Liebeskomödien ... aber einen Versuch ist ihr (fast) jeder Film wert.