Originaltitel: NOSFERATU

USA 2024, 132 min
Verleih: Universal

Genre: Horror

Darsteller: Nicholas Hoult, Lily-Rose Depp, Bill Skarsgård

Regie: Robert Eggers

Kinostart: 02.01.25

Nosferatu

Gruselklassiker im neuen Gewand

Eine Erscheinung wie den Schreck oder den Kinski findet man kein zweites Mal. Also muß man sich einiges einfallen lassen, um dem Vampirgrafen eine schauerliche Note, eine markante Aura zu verleihen. Bill Skarsgård tritt in die Fußstapfen von Max Schreck und Klaus Kinski und spielt den Grafen Orlok, den Vampir, Nosferatu genannt, in dieser Adaption des Stummfilmklassikers. In Pelz ist er gehüllt, mit Schnauzbart und Unmengen an Make-Up versehen. Hohe Stirn, faulige Haut – ein untoter Leichnam. Worte spricht er mit hallender Stimme, rollendem R, angelehnt an die ausgestorbene dakische Sprache, manchmal auch wild knurrend wie ein blutlüsternes Raubtier. Zunächst kann ihn die Kamera kaum einfangen. Gespenstergleich wandelt er durch die Bilder, verschwindet im Treppenaufgang. Im schummrigen Kerzenlicht des transsilvanischen Schlosses kann man ihn schemenhaft erhaschen, ehe er sich zu erkennen gibt und auf die Jagd geht. Vor allem: die Jagd nach der schönen Ellen.

Regisseur und Autor Robert Eggers, der sich mit THE WITCH und DER LEUCHTTURM in die A-Riege zeitgenössischer Horrorfilm-macher katapultiert hat, hangelt sich in seiner lang geplanten Neuverfilmung eng am Original von Friedrich Wilhelm Murnau aus dem Jahr 1922 entlang. Der junge Thomas Hutter wird 1838 von seinem dubiosen Makler-Chef gen Osten geschickt, um den Umzug des Blutsaugers zu regeln, der dann per Schiff in die deutsche Hafenstadt Wisborg gebracht wird und die Pest, ergo die Apokalypse, mit sich bringt. Das alles wird von Eggers als Historienkino aufgezogen, das strebsam daran arbeitet, eine Illusion von Authentizität in Ausstattung und Weltbild zu kreieren. Auf Zeitreise will es gehen, um gleichermaßen Vertrautes wie Fremdes dunkler, vergangener Zeiten wiederauferstehen zu lassen.

NOSFERATU entpuppt sich dabei als klassisches, atmosphärisches Gothic-Schauerkino mit blutig aufgebissenen Kehlen, Schreckmomenten und einem stimmungsvollen Licht- und Schattenspiel, das die reizvollen ästhetischen Seiten des Stummfilms in die Gegenwart rettet. Eisig sind diese Bilder, die oft mit natürlichen Lichtquellen und in galanten Kamerabewegungen eingefangen sind. In ihren Kontrasten und Schattenrissen entfalten sie eine malerisch-alptraumhafte Schönheit auf der Leinwand. Die Frage nach Sinn und Unsinn eines solchen Remakes ist natürlich immer schwer zu beantworten. Ja, es gab diesen Film, diese inoffizielle Adaption von Bram Stokers DRACULA schon in zweifacher Ausführung: von Murnau und von Werner Herzog. Eggers fügt diesen Filmen wenig Neues hinzu, bleibt inszenatorisch durchweg in die Vergangenheit gerichtet.

Dieser neue NOSFERATU präsentiert sich dennoch als ebenbürtiges, anregendes und komplexes Arsenal des Vampir-Mythos, den es in all seiner abgründigen Faszination und Bandbreite zu studieren gilt. Eggers stützt sich insbesondere auf die dunkle Erotik des Stoffes und macht Ellen Hutter, die daheimgebliebene und heimgesuchte Ehefrau des Protagonisten, zur zweiten Hauptfigur. Lily-Rose Depp spielt sie mit vollem Körpereinsatz. Blutiges Kotzen, verdrehte Augen, aufgebäumtes Rückgrat: Besessenheitsszenen wie in Exorzismus-Filmen. Nur, daß hier weder Exorzist noch Kirche etwas ausrichten können. Da hilft allein die Aussöhnung mit der Sexualität. Zum ersten Mal öffnet sich Ellen der Triebhaftigkeit, die ihr die Männerwelt, welche ihre Macht schwinden sieht, lange als Tabu und Wahn eingeredet hat. Jenseits der Vorstellung von Ehepflicht und Reproduktion steuern nun Lust und Todestrieb rituell aufeinander zu. Der orgasmische Rausch flirtet final mit der Vernichtung. Blühendes Leben und eklige Verwesung vereinen sich.

NOSFERATU läßt das Verdrängte schicksalhaft und als Unterwerfung in die Welt brechen: das Verdrängte aus den Geschichtsbüchern, aus religiösen und politischen Ideologien sowie aus dem heimischen Schlafzimmer. Es ist eine Freude, diesen diskussionswürdigen, altmeisterlichen Gruselfilm im Kino zu erleben.

[ Janick Nolting ]