Originaltitel: NOVEMBER
Estland/NL/Polen 2017, 115 min
Verleih: Drop-Out Cinema
Genre: Fantasy, Drama
Darsteller: Dieter Laser, Rea Lest, Jörgen Liik
Regie: Rainer Sarnet
Kinostart: 29.11.18
November. Sicher ein Haßmonat. Vor allem dann, wenn man irgendwann im 19. Jahrhundert irgendwo in Estland elend am Hunger krepiert, ein deutscher Baron auf seinem maroden Schloß hingegen Reichtümer verjubelt. So sagt’s der Film. Und schlägt als praktikable Lösung vor, seine verarmten Mitbürger zu bestehlen, gern mit Hilfe von Kratts – aus Haushaltsgegenständen gebaute Kreaturen, seitens Luzifers persönlich zum Leben erweckt (super Deal, kostet bloß die Seele), welche ständig am Arbeiten gehalten werden müssen, da sie sonst ihre Herren töten. Toller Plan, fürwahr.
Und forsch beackerter Nährboden für ein zartes Erblühen: Dorfschönheit Liina hat das wild pochende Herz an den feschen Hans verloren, dessen Zuneigung gehört aber wiederum des Adligen Tochter. Unabhängig voneinander greifen die beiden bislang Unerhörten auf schwarze Magie zurück, um so das Glück zu erzwingen. Doch war das jemals eine wirklich kluge Idee?!
So weit eine Zusammenfassung von etwas, das man mangels positiv belegter Alternativen großzügig als „Handlung“ bezeichnen mag, obwohl „Rudiment“ zielgerichteter träfe. Oder, noch deutlicher: Wo auf formaler Ebene nichts weniger als leuchtende Magie pulsiert, knirscht der Plot schwerfällig. Die wunderschöne Schwarzweiß-Bilderflut, das atemberaubende Spiel mit Licht und Schatten, starken Kontrasten, der Überfluß an geradezu komponierten Settings stehen inhaltlicher Öde entgegen.
Daher: nicht nachdenken über herumwandernde Geister, die sich manchmal auch als menschengroße Hühner wechselseitig den gefiederten Hintern versohlen. Akzeptieren, daß der Leibhaftige, hier ein schräges Männlein bar jeglichen Schreckens, auf tanzende Hosen abfährt. Den dämlich-vulgären Humor gleichsam einfach hinnehmen wie Dialogzeilen größter metaphorischer Kraft: „Die Pest ist keine Wurst, die man alleine ißt.“ Uiuiui!
Wer das versucht und letztlich schafft, darf auf Entdeckungsreise gehen, sich emotional treiben lassen, nicht nur, während HUMAN CENTIPEDE-Madman Dieter Laser Beethovens „Mondscheinsonate“ spielt, was atmosphärisch selten besser paßte. Die omnipräsent wabernde dunkelromantische Melancholie benötigt kein geistiges Verständnis, sie will vom Herzen aufgesogen, tief verschlossen und behütet sein. Gefühlszauber, ebenso wundervoll weltabgewandt wie Liinas Grund, sich Hans zuzuneigen: Sie liebt ihn, weil er seltsam ist ...
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...