Originaltitel: NOWHERE SPECIAL

GB/Rumänien/I 2020, 96 min
FSK 6
Verleih: Piffl

Genre: Drama

Darsteller: James Norton, Daniel Lamont, Bernadette Brown, Valene Kane

Regie: Uberto Pasolini

Kinostart: 07.10.21

1 Bewertung

Nowhere Special

In allem Schmerz das Tröstliche

Vater und Sohn: John ist Mitte 30 und hält sich in Belfast als Fensterputzer über Wasser. Michael ist 4 und eins von den eher stillen, beobachtenden Kindern. Die Mutter hat sich schon kurz nach der Geburt aus dem Staub gemacht, aber Vorwürfe, Verbitterung oder Selbstmitleid haben in John und Michaels Leben keinen Platz. Dafür fehlt es allein schon an der Zeit, man hat schließlich Wichtigeres und Besseres sowieso zu tun. Die Anforderungen des wahrlich nicht immer leichten Alltags zu meistern. Oder auch einfach nur zusammen auf der Couch abzuhängen, in Kinderbüchern zu blättern oder im Regen spazieren zu gehen.

Wie nun NOWHERE SPECIAL genau das, diese Alltäglichkeit zwischen Anforderung und Nähe, zeigt, ist von jener Kunstfertigkeit, die – darin nicht zuletzt der großen Kinotradition einer sehr britischen Art des sozial genauen Erzählens folgend – souverän auf alle Kniffe der Kunstfertigkeit verzichtet. Nichts wird hier ausgestellt, nichts wirkt inszeniert. Da ist „nur“ dieses scheinbar so ganz einfache Dabeisein der Kamera, das geduldige Beobachten, das ein echtes Zuwenden ist; da sind die Vertrautheit und Natürlichkeit, mit der John und Michael miteinander agieren. Und da sind die wie in Seitenblicken zu erkennenden Hinweise, daß diese still innige Vater-Sohn-Beziehung eine ist, deren Zeit verdammt knapp bemessen ist.

Denn was Regisseur Uberto Pasolini in NOWHERE SPECIAL dann eigentlich erzählt, ist die Geschichte eines Abschieds, eines Loslassens und Weggebens dessen, was man am meisten liebt. John nämlich hat nicht mehr lange zu leben. Der Krebs läßt ihm nur noch wenige Monate Zeit. Die muß John für zwei große schwere letzte Aufgaben nutzen: Seinem Sohn die Wahrheit über seinen Zustand mitzuteilen – und ihm eine neue Familie zu suchen.

„Herzzerreißend“ und „überwältigend“ – natürlich sind das die reflexhaften Attribute, mit denen NOWHERE SPECIAL, der 2020 bei den Filmfestspielen von Venedig seine Weltpremiere feierte, von der Kritik dann gern etikettiert wurde. Nur daß das viel zu laut, prätentiös und melodramatisch tönt für diesen Film, der nach wahren Begebenheiten seine eigentlich so untröstliche Geschichte so gezielt zurückhaltend, still und empathisch erzählt, daß in allem Schmerz das Tröstliche gleichwohl erhalten bleibt.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.