D 2018, 74 min
Verleih: déjà-vu
Genre: Drama, Experimentalfilm
Darsteller: Sophie Reichert, Bea Brocks, Dennis Docht
Regie: Malte Wirtz
Kinostart: 01.11.18
Einmal noch das Leichte von früher spüren, als man jung war und das Leben eben noch leicht schien. Das ist es wohl, was die Freundinnen Mia und Linda umtreibt. Nicht, daß die wirklich schon alt sind. Aber eben alt genug für ein „früher.“
Früher, da wohnten die zwei in Berlin. Früher, da sah man sich oft und unternahm was zusammen. Früher, da waren noch nicht dieses Jetzt und die Probleme, die das Leben manchmal so mit sich bringt. Geldschulden etwa, die Mia belasten und aus denen sie sich befreien will, indem sie diesen reichen Typen erpreßt, mit dem sie eine Affäre hat. Und wo Mia derlei Nöte bedrücken, fressen an Linda wiederum Zweifel, ob denn der Mann, den sie demnächst zu heiraten gedenkt, denn auch tatsächlich der Richtige ist. Zumal sie für Mia mehr empfindet als nur freundschaftliche Gefühle.
Und das auch noch nach all der Zeit, die inzwischen verstrich. In der man Berlin verließ, sich nicht mehr sah, sein Leben zu leben versuchte. Und sich jetzt noch einmal trifft. Für einen Tag und eine Nacht, gemeinsam in Berlin. Ganz wie in jenen Zeiten, die längst vorbei sind.
Nur einen Tag (und eine Nacht) dauerten auch die Dreharbeiten zu dieser Großstadterzählung, die mit der hübschen Alliteration „Lügen, Liebe, Lichtermeer“ recht treffend beworben ist. Ein Film, der flaniert, innehält, hinschaut und dann weiterschweift. Der einen nur grob skizzierten Plan im Kopf hat, dem er improvisierend folgt. In lässigen 74 Minuten, in denen man diesen zwei Frauen auf ihrem Streifzug zuschaut und zuhört, und in dem die Konflikte und die Dramatik wie eine Unterströmung arbeiten, der sich Mia und Linda halb zu entziehen, halb hinzugeben scheinen.
Zwei Frauen, die Lichter der Großstadt – und ein Tag als Auszeit und Klausur für den Versuch, so etwas wie eine Klarheit zu gewinnen darüber, wie das (weiter-)gehen könnte oder soll mit dem eigenen Leben. Und den eigenen Gefühlen, gerade auch denen, die man vielleicht für einander hegt. Das wird in Malte Wirtz’ NUR EIN TAG IN BERLIN alles andere als problemfilmhaft totgequatscht. Fraglos ein großer Pluspunkt. Gleichzeitig aber brechen hier so manche Zuspitzungen weg, verschwimmen Verdichtungen im Strom der Improvisation, evoziert der lange Blick in Handykamera-Manier mitunter weniger ein genaues Hinschauen, als vielmehr ein phlegmatisches Starren. Und doch atmet NUR EIN TAG IN BERLIN Freiheit, Echtheit, die Atmosphäre der Unmittelbarkeit. Allein darin ein schöner Gegenentwurf zum allzu oft allzu Kalkulierten des Gegenwartskinos.
[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.