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Nur wir drei gemeinsam

Ihr Leben: ein ständiger Kampf

Klar: Fast jeder Mensch lauert auf seine Chance, Blickwinkel, Erfahrungen und Meinungen anderen mitzuteilen. Ob das überhöhte Selbstwahrnehmung oder Kommunikation ist, entscheiden Fachleute, jedenfalls resultiert es bei Filmemachern gern darin, die eigene (Familien-)Geschichte aufs Publikum loszulassen. Hier nun führte der französische Komiker Kheiron erstmals Regie, schrieb das Skript und spielt seinen Vater Hibat. Ein gewichtiges Vorhaben. Hat er sich dran verhoben?

Zunächst nicht, die ersten, Hibats Kindheit beleuchtenden Minuten strotzen geradezu vor schrägen Ideen, gelungenen visuellen Spielchen und trefflichem Humor. Doch plötzlich staunt man und argwöhnt filmische Wachablösung, denn mit Hibats Inhaftierung plauzt eine so ungeahnte wie kaum harmonierende Schwere herein. Die nächsten erzählerischen Jahre sind wir Zeugen, wie Hibat gegen den – plump als Witzfigur gezeichneten – Shah rebelliert, Einzelhaft, Folter und andere Unmenschlichkeiten ertragen muß. Zwar mag die entspannt über allem klimpernde Klaviermusik dazu nicht recht passen, aber okay, Stimmungswechsel, man sieht jetzt eben ein Drama.

Dies im Hinterkopf verankert, erfordert das folgende Zusammentreffen mit Fereshteh, welche bald zur Gattin aufsteigt, wieder Abstimmungsarbeit, weil Hibats Vermählungsanfrage bei Fereshtehs Eltern einen komödiantischen Glanzpunkt setzt. Das Leben, eine Sinuskurve, möchte man meinen und darob die ständigen Schwankungen im inhaltlichen Klang akzeptieren, doch dies fällt zunehmend schwerer, weil Kheiron die Fäden entgleiten. Ihm unterlaufen häufig Mißtöne, illustriert am Beispiel einer Szenenfolge: Gegenschnitte setzen Geburt und Tod (durch Hinrichtung oder Selbstmord) in polternden Kontrast, dann wird Hibat schenkelklopfend als Pantoffelheld entlarvt. Kaum was fügt sich zusammen, und das jetzt durch eine klagende Violine unterstützte Piano raubt den letzten Nerv.

Leider doppelt wahr: Ja, die verhandelten politischen Themen besitzen unverändert höchste Relevanz. Doch nein, ausgedehnte Überdeutlichkeiten bringen nix, die visuelle Adaption zielsicherer Zeilen wie „Aziz lebte in Deutschland. Dort haben sie auf ihn geschossen.“ mindert deren Wirkung. Und außerdem – wenn man einer Familie sein Herz schenken soll, muß diese deutlich mehr Facetten zeigen, unablässiges Hadern mit verschiedenen Systemen kann bloß ein Anfang sein.

Originaltitel: NOUS TROIS OU RIEN

F 2015, 102 min
FSK 12
Verleih: NFP

Genre: Drama, Komödie, Familiensaga

Darsteller: Kheiron, Leïla Bekhti, Gérard Darmon, Zabou Breitman

Stab:
Regie: Kheiron
Drehbuch: Kheiron

Kinostart: 30.06.16

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...