Originalität ergibt sich immer auch aus Singularität. Dieses Prinzip wurde hier leider verletzt. SONNENALLEE von Leander Haußmann war in seiner Tonart, in seiner Schrägheit originell. NVA von Leander Haußmann ist es leider nicht. Wahrscheinlich schon deshalb nicht, weil vieles an diesem neuen Film kopiert, wiederholt, dadurch allzu bekannt und ermüdend wirkt. Haußmann ist irgendwie in die Jean-Pierre-Jeunet-Falle getappt.
Der gesamte Rhythmus dieser Ballade über die Nationale Volksarmee in den letzten Zuckungen der DDR erinnert an den Überraschungserfolg von 1999. Man rechnet in vielen Momenten damit, daß plötzlich Wuschel um die Ecke tappt, mit ’ner Stones-Platte unterm Arm. Macht er natürlich nicht, aber einen naiven Knaben gibt es auch hier. Der heißt Henrik, wird zum Dienst an der Waffe gezogen, Armeezeit in der NVA-Kaserne "Fidel Castro". Und dann werden so die ganz üblichen Geschichten vom Stapel gelassen: Kasernenhierarchien zwischen bald zu Entlassenden und Neuankömmlingen, die untreue Freundin, das Schwärmen für Fotos, auf denen wenigstens ein Fitzelchen Weiblichkeit zu erkennen ist. All das wird ein wenig überhöht, vieles banalisiert, die Vorgesetzten zu Knallchargen, deren Töchter zu Ikonen, das Übermaß von Bestrafungsmaßnahmen wie der Abtransport eines Soldaten nach Schwedt zur schrägen Alberei. Weil es sich auch hier - wie damals bei SONNENALLEE - um eine Komödie handelt.
Nur war SONNENALLEE mit seinem ganz originären Erzählduktus, seinen sympathischen Figuren, allen absurden Einfällen tatsächlich komisch. NVA ist es leider nicht immer. Vielen Gags geht die Puste auf halber Strecke aus, weil die einfach zu lang ist. Zahlreiche Witze werden ewig vorbereitet, viele Pointen damit zu Rohrkrepierern. Eine Komödie mit Tiefgangsmomenten will der Film ganz gern sein, das merkt man, auch formal. Da verblüfft sicher die Kamerafahrt über die Weihnachtstafel, vor und zurück, da liefert ein Appell mit der Musik von Cat Stevens ein doch ganz eindringliches Bild. Aber es paßt eben nicht zum Rest. Dabei ist es völlig egal, ob Haußmann im möglichen Rahmen authentisch bleibt. Die Kulissen und Requisiten sind es, der Jargon und "Fachtermini" im Groben auch. Und selbst wenn sie es nicht wären, im Kino kann Haußmann machen was er will, gerade in einer Komödie. Die wie gesagt leider nicht wirklich komisch geraten ist. Das liegt auch an den wenig schlüssig angelegten Figuren. Wenn die schon nicht witzig sind, dann wird’s deren Gehampel leider auch nicht.
Am meisten tut einem Detlev Buck als streng kommandierender Oberst leid: zu überzeichnet, zu maskenhaft, zu einsilbig. Auch Kim Frank, der als Echt-Sänger eigentlich eine ganz gute Figur machte, hat hier nur die Rolle eines aufgescheucht dreinblickenden Rehs zu spielen. Da war doch Stadlobers Wuschel ein ganz anderes Kaliber ...
D 2005, 95 min
Verleih: Delphi
Genre: Komödie
Darsteller: Kim Frank, Detlev Buck, Robert Gwisdek
Regie: Leander Haußmann
Kinostart: 29.09.05
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.