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Offside

Treffliches aus dem Abseits

Ein Film, dessen Fertigstellung vom Ausgang eines Fußballspiels abhing - nicht zufällig dürfte dieser Start in die Wochen der WM geraten sein. Nun, OFFSIDE ist zwar auch ein Film über Fußball, aber es kommt kein einziger darin vor. Und auch kein Fußballspieler. Zumindest sind diese nie im Bild. Als der iranische Regisseur Jafar Panahi im letzten Jahr zum Qualifikationsspiel Iran-Bahrain im Teheraner Azadi Stadion aufbrach, hatte er die Idee zu einem Film, dessen Schauplatz das Abseits ist.

Als Männer verkleidet versuchen ein paar junge Frauen, begeisterte Fußballfans, gegen das herrschende Verbot in das Stadion zu gelangen. Trotz raffinierter Tricks, die eine gewisse Routine erahnen lassen, scheitern einige an den Kontrollposten. In einen kleinen abgesperrten Bereich am Rande des Stadions gepfercht, sollen sie darauf warten, daß man sie abholt und der Sittenpolizei übergibt. Das Hauptproblem der Frauen aber liegt darin, daß sie das Spiel nicht sehen können. Hinter der Absperrung können sie zwar die Geräuschkulisse im Stadion vernehmen, aber keinen Blick auf das Feld erhaschen. Für die Soldaten, junge Männer vom Land, ist es kein Leichtes, den selbstbewußten Städterinnen mit ihren Bitten, ihrem Fluchen und ihren Argumenten standzuhalten. Schließlich erklärt sich einer der Soldaten bereit, das Spiel von Ferne zu kommentieren. Aber selbst dieser Kompromiß stellt die weiblichen Fans nicht zufrieden ...

Das Thema, dem sich Panahi schon in früheren Filmen widmete, ist die Situation der Frauen in seinem Heimatland. Fast synchron zur Filmlänge entwickelt er hier über die Dauer eines Fußballspiels seine Geschichte, in der er anhand einer interessanten Figurenkonstellation verschiedene Standpunkte aufzeigt. Geschickt ist die Verknüpfung des Handlungsablaufes und glaubwürdig die Entwicklung der einzelnen Charaktere, die durchweg von Laien verkörpert werden. Panahi gab den Handlungsrahmen vor, ließ seinen Darstellern aber die Möglichkeit, die Dialoge selbst zu entwickeln. Die Begrenztheit des Schauplatzes läßt OFFSIDE als wirklichkeitsnahes Kammerspiel unter freiem Himmel erscheinen, indem der Regisseur auch ein gutes Gespür für Tempo und Dramatik beweist. Es ist aber auch eine Liebeserklärung an sein Land, für die er ein doppelt glückliches Ende voraussetzte. Auf die Bilder von Teheran im Freudentaumel und ein gewisses Pathos hätte er nicht verzichtet - die iranische Fußballmannschaft tritt so mit ihrem Sieg gegen Bahrain schlußendlich doch noch in den Vordergrund.

Originaltitel: OFFSIDE

Iran 2005, 88 min
Verleih: Movienet

Genre: Drama, Polit, Sport

Darsteller: Sima Mobarak Shahi, Safar Samandar

Regie: Jafar Panahi

Kinostart: 29.06.06

[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.