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O’Horten

Bent Hamer schaut wieder übern Gartenzaun

Der Kaffee füllt auf den Tropfen genau die vorgewärmte Thermoskanne, die Brote passen perfekt in Schnittgröße und -form in die blecherne Frühstücksbox, der Wellensittich zwitschert im Einklang mit alltäglichen Morgengeräuschen wie das Zuschnüren der Lederschuhe, das Hochschlagen des Mantelkragens. Es gibt Menschen, die funktionieren wie am Schnürchen, deren Alltag kennt keine Unwuchten am Rad des Lebens, auf diese Menschen ist schlicht und einfach Verlaß. Odd Horten ist so ein Mensch, ein Mustermann mit Grundsätzen. Dazu gehört die Pünktlichkeit. Daß gerade diese Eigenschaft von einem so tugendhaften Mann wie Horten und ausgerechnet an seinem letzten Arbeitstag, eben vor seiner finalen Fahrt als Eisenbahner versagt, birgt eine gewisse Tragik. Daß dieser Tragik eine teils slapstickartige Komiksequenz vorausging, sei erwähnt, deren herrlicher und in aller Kontradiktion so wunderbar zum Eigenbrötler Horten passender Verlauf wird hier aber nicht verraten.

Zuvor wurde Horten, wie das so üblich ist zur Pensionierung, mit der "Silbernen Lokomotive" im Kollegenkreis als verdienter Eisenbahner ausgezeichnet. Auch dieses Procedere birgt einige Lacher, keine Schenkelklopfer, eher subtil, voll stillen Humors, erfrischend in ihrer Kauzigkeit - wie halt der gesamte Film. Es ist schnell klar, der bemerkenswerte Regisseur Bent Hamer erzählt natürlich keine Geschichte vom Fall ins schwarze Loch, vom endlosen Grau im Rentnerleben, er erzählt - nach kurzer Lethargie bei ein paar einsamen Bierchen in einer Kaurismäkischen Eckkneipe - von einem Aufbruch. Da wir Horten nun schon ein wenig kennen, wissen wir, daß er sich nicht panisch die stabile Frisur gegen den Scheitel hochbürsten wird, er auch nicht die allzeit gediente Baumwollunterwäsche gegen hoffnungslos Gewagteres tauscht, noch wird er sich ein Motorrad kaufen und jungen Mädchen hinterher hupen. Nein, so einer ist der Horten nicht, er ist sympathisch, er bleibt sympathisch. In seiner Stille, seiner Durchstrukturiertheit und in seinem Mitgefühl - dem für die kranke Mutter, für den angesoffenen falschen Diplomaten und dessen zurückgelassenen Hund.

Hortens Aufbruch ist ein ganz anderer, kein polterndes neues Leben erwartet ihn, dafür ein reiches. Denn es räumt auf mit alten Ängsten und führt zu einer neuen Liebe. Der Weg dahin geht über einen waghalsigen Schanzensprung, durch den Eisregen im nächtlichen Oslo, mündet in einer Autofahrt mit geschlossenen Augen und einer weiteren Bahnreise - diesmal im Fahrgastbereich, diesmal als klassischer One-Way-Trip ...

Bent-Hamer-Filme sind immer auch originell bebilderte Blicke übern Gartenzaun, hinein in Leben, in die sonst nicht so detailliert geschaut wird. Diesmal führt uns der Ausnahmefilmer nach Ausflügen in blockierte Schriftstellerseelen und an der Seite von auf die Pelle rückender Kücheneinrichtungsspezialisten ins Nachberufsleben eines Eisenbahners. Hamer erzählt wieder von einem Kauz, von einem skurrilen Einzelgänger - und trägt dieser auf den ersten Blick reichlich merkwürdigen Figur doch wieder so viel Liebe an, daß sie im Verlauf der Geschichte einem eng ans Herz wächst, daß das Blasse von Hortens Lebensumständen an Farbe gewinnt. Dieser Horten steht dabei sogar für eine ganz neue Lässigkeit. Wir Jungen sollten uns also locker machen - denn da nun einmal alles im Leben zu spät kommt, kommt eigentlich nichts zu spät. Eine charmantes Zuzwinkern an die Leichtigkeit, an die Entspannung, an das Unbeeinflußbare, an das Spontane, das Nichtplanbare. An die Liebe und noch ganz andere Mutproben.

Originaltitel: O’HORTEN

Norwegen 2007, 90 min
FSK 0
Verleih: Pandora

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Niels Gaup, Ghita N¿rby

Regie: Bent Hamer

Kinostart: 18.12.08

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.