Es braucht oft tragische Ereignisse, um in die Welt verstreute Familien wieder zusammenzuführen. So auch bei Sonja, die als erfolgreiche Fernsehschauspielerin in Berlin lebt und erst ins heimatliche österreichische Dorf zurückkehrt, als es dem herzkranken Vater immer schlechter geht. Die Heimkehr bietet für Sonja auch einen kleinen Ausbruch aus ihrem vornehmlich aus Oberflächlichkeiten und lauen Affären bestehenden Lebens. Doch auch im väterlichen Haus nimmt Sonja gleich wieder eine Rolle ein: die der flügge gewordenen, wilden jüngeren Tochter. Ihr Gegenpart wird von Schwester Verena besetzt, die mittlerweile den väterlichen Gasthof mit der Hilfe ihres Mannes führt und droht, unter der Bürde der Verantwortung im häuslichen Mief zu ersticken. Ihre kleine Ausflucht findet Verena in einer Affäre mit dem einsiedlerisch lebenden Landarzt. Im Angesicht des drohenden Abschieds vom Vater finden die Schwestern nach und nach wieder zueinander und ein Stück auch mehr zu sich selbst.
Sechs Jahre hat es gedauert, bis Götz Spielmann nach seinem Welterfolg REVANCHE einen neuen Film vorlegt. Und es ist sicher kein Zufall, daß dieser mit einem Dialog über Rollen beginnt. Besagtes Gespräch ist vermeintlich ein Schauspieler-Insider-Talk. Aber das Motiv der Rolle bleibt essentiell im weiteren Verlauf von Spielmanns Drama. Verena klagt Sonja in einem Streit an, stets nur eine Rolle zu spielen, gar nicht mehr „echt“ sein zu können. Sonja fragt aufgebracht zurück, was das denn sein solle, „echt sein.“ Verena ist um eine Antwort verlegen. Konfrontiert mit dem Tod des letzten verbleibenden Elternteils, werden die Töchter gezwungen, sich mit dem Part auseinanderzusetzen, den sie im Leben spielen. Während Sonja das Gefühl hat, sich den ihren selbst ausgesucht zu haben, meint Verena, ihre Rolle zugeteilt bekommen zu haben, ohne je gefragt worden zu sein.
Spielmann inszeniert sein kantiges Drama als beklemmendes Kammerspiel vor herbstlichem Bergpanorama. Angesichts der akribisch angelegten Konflikte hätte man diese Familienzusammenführung unter tragischen Umständen auch zum Fegefeuer der Streitigkeiten ausgestalten können. Darauf verzichtet Spielmann und erzählt dafür leise und unerbittlich bis zum zähen Ende seine Chronik eines angekündigten Todes, in dessen Präsenz zwei Schwestern ihre Lebensrollen reflektieren. Ein eigenwilliges, ausschweifendes und lange nachklingendes Werk über die großen Themen im vermeintlich Kleinen und Häuslichen.
Österreich 2013, 114 min
FSK 12
Verleih: MFA
Genre: Drama
Darsteller: Nora von Waldstätten, Ursula Strauss, Peter Simonischeck
Stab:
Regie: Götz Spielmann
Drehbuch: Götz Spielmann
Kinostart: 12.06.14
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...