Mark und Kurt sind Freunde. Wahrscheinlich schon lange. So lange, daß sie es miteinander aushalten können, und das Kind, das Mark zusammen mit seiner Freundin erwartet, daran nicht unbedingt etwas ändern wird. Oder doch alles. Dieser Film wird es uns jedenfalls nicht erzählen. Selbst die mögliche Wandlung der Männerfreundschaft ist reine Interpretation. Nicht, daß nichts geredet wird. Kelly Reichardt legt es nicht darauf an, daß man aus bedeutsamem Schweigen unterschwellige Botschaften herauslesen soll. Dieser Film gibt sich gänzlich unintellektuell, wenn man so will, als unschuldige Reinform des Mediums.
Zwei Männer steigen in einen alten Volvo. Der eine mit herausgewachsener Frisur, der andere mit bärtigem Wildwuchs. Sie wollen zu einem besonderen Ort in den Wald, wo es heiße Quellen gibt. Sie verfahren sich, campen. Dabei trinken sie Bier und schießen Büchsen von Baumstümpfen. Kurt redet viel. Er kifft und redet weiter. Nichts Bedeutsames. Nur, daß er neulich auf so einem Fest war mit unglaublichen Leuten und schönen Frauen. Er habe sich nie auf etwas eingelassen, aus dem er nicht mehr herauskommt. So wie ein Kind eben. Dazwischen bekommt Mark Anrufe von seiner Freundin. Man hört nur Wortfetzen. Die Männer sitzen in einem Diner und bestellen Rühreier. Dann endlich die heißen Quellen. Wasser läuft durch hohle Baumstämme in große Holzbottiche. Mark und Kurt liegen jeder für sich in einem von ihnen. Kurt massiert Mark die Schultern. Sie wandern zurück zum Auto, fahren nach Hause. Fast das Ende. Nur noch eine kleine Sequenz, in der man Kurt nachts auf der Straße sieht.
Man darf die Handlung detailliert aufschlüsseln, ohne etwas vorwegzunehmen. Weil es darum nicht geht. Man erwartet schon nach zehn Minuten nichts mehr. Es ist ein angenehmes Gefühl. Man fühlt sich selbst wie am Lagerfeuer. Wie in einer sich auflösenden Hippiekommune. Die Probleme sind da. Sie sind angekommen. Sie bewegen sich in einem Zombieraum. Kelly Reichardt verweigert sich, sie direkt zu benennen. Trotzdem schafft sie eine Metaebene der Kritik: Assoziationen zu vorgeschriebenen Handlungsbögen im Leben wie im Film, politische Diskussionen ganz nebenher als Soundteppich aus dem Radio. Wo und wie hat die Linke überlebt? Das ist meisterhaft. Und es hat eine Ehrlichkeit, die entspannend wirkt. Von diesem Film ausgehend können wir anfangen zu diskutieren. Oder auch nicht.
Originaltitel: OLD JOY
USA 2006, 76 min
Verleih: Peripher
Genre: Drama
Darsteller: Will Oldham, Daniel London, Tanya Smith
Regie: Kelly Reichardt
Kinostart: 08.01.09
[ Susanne Schulz ]