Originaltitel: NA MLIJECNOM PUTU
Serbien/GB/USA 2016, 125 min
FSK 16
Verleih: Weltkino
Genre: Tragikomödie, Liebe, Schräg
Darsteller: Monica Bellucci, Emir Kusturica, Predrag Manojlovic, Sloboda Micalovic, Sergej Trifunovic
Regie: Emir Kusturica
Kinostart: 07.09.17
Ein Regenschirm schützt vor Kugelhagel, Gänse nutzen Schweineblut zum Fliegenfang, eine bösartige Uhr fordert humane Opfer: Emir Kusturicas neuer Film eben. Total absurd, im besten Sinne irre und trotzdem erwartbar intelligent genug, auf die harmlose Frage nach der eigenen Person antworten zu lassen: „Ich bin nicht mehr die, die ich einst war.“
Dies spricht die atemraubende Protagonistin. Deren Biographie umwittern Geheimnisse, fest steht: Für sie starb eine englische Lady, umgebracht vom eigenen Gatten. Man möchte auf mildernde Umstände plädieren, verkörpert jene Namenlose doch Monica Bellucci, die nebenbei würdevolles Reifen vorexerziert, eine natürliche Verschönerung, welche weise Falten erlaubt, auch lebenserfahrene Müdigkeit. Also besser nicht vom deutschen Poster täuschen lassen, auf dem Signora Bellucci eher aussieht wie eine schlecht perückte Botox-Duse mit Riesenhals … Es fällt schwer, ihr zu widerstehen, wenn sie beispielsweise beim Annähen eines abgeschossenen Ohres (wir befinden uns mitten im Bürgerkrieg) melancholische Sehnsuchtslieder singt; Milchmann Kosta erwischt die erfreulicherweise erwiderte Zuneigung spontan, frontal, endgültig. Allerdings kam der mörderische Ex-Geliebte unserer Mysteriösen just wieder frei und sucht unter Einsatz tödlicher Mittel nach seiner Sirene, Flucht heißt ergo die Devise.
Was nahezu jeder Szene Gelegenheit bietet, mindestens einen Wahnwitz, etwas Budenzauber, Prisen teerschwarzen Humors, visuelle Magie hier gelungener und dort mißratener – wer verantwortet die CGI-Schlange? – Art zu beherbergen. Der beste und nachdrücklichste Spezialeffekt bleibt dennoch stets das hohe Gut der Liebe. Für dieses tarnt Kusturica schon mal einen Catfight als Tanzeinlage oder kombiniert, sensiblen Zuschauern durch Mark und Bein fahrend, eine ganze Schafherde mit einem Minenfeld. Hilft gar nichts anderes mehr, fliegen die zwei Außenseiter eben davon. Verrückt?
Über lange Zeit aller menschlichen Abgründigkeit, der Brutalität und immanenten Grausamkeit zum Trotz von märchenhafter Qualität, knallt Kusturicas Vision final dann aber so unvermittelt wie hinterhältig auf den wörtlich steinigen Boden der Tatsachen, ultimativer Erdung entgegen. Wie konnte man sich je vorbereiten auf einen Abschluß, dessen emotionaler Gewalt Herz und Kopf hilflos ausgeliefert sind, der beides fast zu zerreißen droht?!
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...