Originaltitel: ONCE UPON A TIME IN … HOLLYWOOD

USA/GB 2019, 161 min
FSK 16
Verleih: Sony

Genre: Drama, Thriller

Darsteller: Leonardo DiCaprio, Brad Pitt, Margot Robbie

Regie: Quentin Tarantino

Kinostart: 15.08.19

39 Bewertungen

Once Upon A Time In … Hollywood

Love Is The Drug!

„Dies ist mein Erinnerungsfilm. Das bin ich, das ist das Jahr, das mich geformt hat, das ist meine Welt, mein Liebesbrief an Los Angeles.“ So ließ es Regisseur Quentin Tarantino in dem ihm eigenen Überschwang verlauten zum Start seines neuen, seines inzwischen neunten Werkes. Womit ONCE UPON A TIME IN ... HOLLYWOOD Tarantinos vorletzte Kinoarbeit wäre. Zehn Filme, ließ der Regisseur mal verlauten, wolle er drehen. Und dann …

Ja, und dann? Was dann? Die Zeiten ändern sich, alles geht vorbei. Sterne verglühen oder verglimmen. Gehört das Kino dazu, inklusive das des Quentin Tarantino? Schaut man sich dessen neues Opus an, sieht man jedenfalls ein Kino, das es so heute nicht mehr gibt. In mehrfacher Hinsicht nicht. Und weit mehr als eine bloße, auf 35mm gedrehte Zitate-und-Retro-Orgie im Tarantino-Style ist dieser Film dann tatsächlich vor allem eins: eine kinematographische Liebesorgie. Was die gewisse Selbstverliebtheit des Regisseurs nicht ausschließt, aber im Kern auf etwas anderes zielt. Daß nämlich dieser Film tatsächlich eine Reminiszenz ist; eine, die bis über beide Ohren (was nicht nur den formidablen Soundtrack meint!) und bis über beide Augen ohnehin so seh- und hörbar liebesberauscht ist vom Gegenstand seiner Geschichte (L.A., das Kino, die Popkultur) und deren Helden (Schauspieler, Stuntman, ein Kampfhund), daß es einem dabei selbst neben Augen und Ohren eben auch gehörig das Herz weitet. Vorausgesetzt, es schlägt fürs Kino – und das heißt hier, im Takt mit diesem Film.

Daß Tarantinos Liebesbrief keiner der pazifistischen Botschaften ist, dürfte klar sein. Wie auch, wenn die Geschichte im Jahr 1969 spielt? Und in fast schon gespenstischer Ausgelassenheit bei gleichzeitig kontemplativ gelassenem Tempo auf die Nacht vom 8. auf den 9. August zusteuert; den Cielo Drive hoch nach Beverly Hills, wo schon vier Mitglieder der Manson-Family mit gezückten Messern unterwegs sind. Und wo die hochschwangere Schauspielerin Sharon Tate und ein paar ihrer Freunde eine kleine Party feiern.

Tate ist eine der drei Hauptfiguren in ONCE UPON A TIME IN ... HOLLYWOOD. Die zwei anderen sind ihr Nachbar, der einstige Star einer TV-Westernserie Rick Dalton, dessen Karriere und Selbstbewußtsein zunehmend am Verkümmern sind. Und Ricks Stuntdouble und Schulter-zum-Ausheulen-Kumpel Cliff Booth. Smart, loyal, etwas zwielichtig. Zudem in trauter Wohngemeinschaft mit Pitbull Brandy lebend, der im Geschehen dann noch eine ähnlich maßgebliche Rolle spielen soll wie eine LSD-imprägnierte Zigarette.

Einem Kinotraum-Gleitflug gleich schwebt ONCE UPON A TIME IN ... HOLLYWOOD dabei auf die finale Kollision zu: den Alptraum einer Wirklichkeit, in der, man weiß es ja nur zu gut, Sharon Tate und ihre Freunde Opfer eines erbärmlich brutalen und sinnlosen Verbrechens wurden. „Ich bin der Teufel, und ich bin hier, um die Arbeit des Teufels zu erledigen“ ist ein Satz, den diese Wirklichkeit schrieb; salbadert hat ihn damals der einzige Mann neben den weiblichen Manson-Mordbrennern. Da oben, in den Hügeln über der Stadt der Engel.

Auch in Tarantinos Film fällt dieser Satz. Doch mehr als nur ein weiteres Zitat im Zitate-Patchwork, gewichtiger als nur ein weiteres Steinchen im eklektischen Pop-Art-Mosaik, markiert dieser Teufelssatz das Startsignal für eine Teufelsaustreibung, die hier als ein Finale furioso explodiert, das selbst wie vom Teufel geritten über die Leinwand fegt. Ja, das ist ein typischer Tarantino-Gewaltrausch, virtuos und spekulativ. Aber einer, in dem Tarantino wie auf einem wilden Trip all das birgt, verteidigt und zu beschützen versucht, was er in seinem Film in epischer Länge und detailversessen ausbreitet. All das also, was ihn prägte und formte und, das vor allem, was er liebt.

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.