Originaltitel: ONE CHANCE

GB/USA 2013, 103 min
FSK 6
Verleih: Concorde

Genre: Biographie, Tragikomödie, Musik

Darsteller: James Corden, Julie Walters, Colm Meaney

Regie: David Frankel

Kinostart: 22.05.14

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One Chance

Aus voller Kehle gegen die Demütigung

Gut, wahre Klassikkenner winken ab, und der Hype ist ohnehin schon wieder vorbei, aber die Geschichte des Paul Potts, die ist nun wirklich groß und mußte unbedingt fürs Kino erzählt werden. Und zwar so wie hier: mit feinstem britischen Humor, großartigen Mimen und als hinreißendes Märchen. Und dieses Märchen von einem, der auszog, Oper zu singen, geht in etwa so: Es war einmal ein dicklicher Junge, der bereits als Chorknabe von einer großen Karriere träumte, sich weder von geplatztem Trommelfell noch den Prügelattacken Matthew Spades und dessen Gang und dem Mißfallen des Vaters gleich gar nicht abhalten ließ, seinen Traum weiterzuträumen. Immerhin hält Mama (großartig: Julie Walters) zu ihm, wenn er beim Frühstück wild mit der Gabel über Würstchen und Bohnen dirigiert. Schließlich schafft der nun erwachsene Paul es nach Venedig, um an einer renommierten Schule eine Gesangsausbildung zu absolvieren. Das große Ziel: ein Vorsingen vor dem Patron des Hauses –Luciano Pavarotti. Und das geht so richtig in die Hose, Pauls Motivation sackt kellerwärts. Die berauschende Zukunft heißt nun für ihn: Telefone vertickern im Carphone Warehouse mit Aussicht auf Beförderung. Bis eines Tages Julz eines dieser lästigen Pop-ups nicht wegklickt, sondern Paul für „Britain’s Got Talent“ anmeldet. Der Rest ist bekannt ...

Doch, Moment, welche Julz? Und genau das macht den Reiz dieses Lebensmärchens aus – daß Regisseur David Frankel und sein Autor Justin Zackham eben nicht allein auf das Bestaunen der fast unglaublichen Karriere Potts’ setzen, sondern aus seinem Leben heraus erzählen. Der schüchterne Paul traut sich eines Tages, seine Internetbekanntschaft namens Cameron (genau, wie die Diaz) zu treffen, dann wird sie Julz heißen und erkennen, daß ihr Brad (genau, wie der Pitt) nicht nur anders heißt im wahren Leben. Diese Begegnung rührt an durch die verschwitzte Unsicherheit der beiden, die Hoffnung, die Julz und Paul mit diesem Treffen verknüpfen, die äußeren Umstände sind zudem skurril: So hat der Blumenladen geschlossen, weshalb sich Paul zum Kauf einer Taschenlampe als Begrüßungsgeschenk entschließt, außerdem schlägt noch Pauls Mama auf und zerrt die Jungverliebte spontan in ihre Hütte.

Der Humor, den die Filmemacher anschlagen, ist ein mit seinem Milieu verankerter (Potts wuchs in der Stahlarbeiterstadt Port Talbot auf) – rauh und herzlich, derb und menschlich, da drängen sich Quergedanken zu einem Billy Elliot und zu Dannys Bergmanns-Brass Band auf. Dieser Potts ist einer, der keinen im Stich läßt, der Träumen anhängt, dabei aber ganz bei sich ist, kein Spinner, kein Hütchenspieler, ein Auf-den-Putz-Hauer gleich gar nicht. Das macht ihn und seine Film gewordene Geschichte sympathisch. Wenn von diesem Ausnahmeerfolg so warmherzig erzählt wird wie hier, dann glaubt man Potts aufs Wort, daß er eigentlich nur eines nie wieder will: gedemütigt werden.

ONE CHANCE ist ein sehr menschlicher Film geworden, einer in natürlichen Farben, unter der Fuchtel Hollywoods wäre ganz sicher wieder nur eine dieser unzähligen Hochglanz-A STAR IS BORN-Geschichten erzählt worden. Hier ist es doch so: Potts hat gewiß Talent, ein Genie ist er nicht, aber genau diesem Typen gönnt man seinen Erfolg. Weil er als Person auch eine Ausnahme in diesem Superstarzirkus ist, wo es doch nur um verkrampfte Mittelmäßigkeit geht, mit der Grinsebübchen oder Busenblitzer schnelle Kohle machen wollen. Die Filmemacher begriffen gottlob die Andersartigkeit Potts’, und so bleibt er das, was er tatsächlich ist: Eine sympathische Symbolfigur für all jene, die sich zu Recht selbst was zutrauen dürfen.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.