Die Handlung ihres ersten Spielfilms hat die Thailänderin Pimpaka Towira in der Regenzeit angesiedelt und - zum Großteil - in der Dunkelheit. Das unablässige Rauschen des Regens, unterbrochen von vereinzelten Donnerschlägen, dominiert schon die erste Szene: Sipang und Napat haben sich erst kürzlich kennengelernt und impulsiv geheiratet. Nun, in der Hochzeitsnacht, die nur vom flackernden Licht vereinzelter Blitze erhellt wird, bekommt Napat einen geheimnisvollen Telefonanruf und verläßt ohne ein Wort die Wohnung. Sipang wartet auf seine Rückkehr, doch vergeblich, ihr Ehemann bleibt verschwunden. Von sich selbst und ihrer Spontaneität ist die junge Frau im Nachhinein überrascht, als sie realisiert, daß sie den Mann, den sie geheiratet hat, nicht kennt. Auf der Suche nach ihm entdeckt sie nach und nach seine unbekannten Seiten und muß sich vielen Fragen stellen: Hat Napat mehrere Leben geführt? Ist er tot? Oder ist er bei einer anderen Frau?
Sipang lernt bei ihrer Suche auch ihre verängstigte Schwägerin Busaba kennen, die von ihrem Mann mißhandelt wird. Die Frauen freunden sich an, und Sipang bemerkt bald, daß Busaba ihr etwas verheimlicht ...
ONE NIGHT HUSBAND (in der Originalübersetzung "Nacht der Schatten") ist nicht einfach zu entschlüsseln. Die Regisseurin, bisher Experimentalfilmerin, erzählt ihre Geschichte nicht, indem sie diese vorantreibt. Vielmehr scheint sie selbst die Position einer Beobachterin einzunehmen. Dabei entwickelt sie eine psychologische Neugier, die sie in den einzelnen Einstellungen zu einer sorgfältigen Komposition von Figuren, Licht und Schatten, Bildern und Geräuschen gelangen läßt. Towiras Perspektive ist eine explizit weibliche - über weite Strecken ist es der Blickwinkel Sipangs, den die Kamera einnimmt. Die beiden Frauen Sipang und Busaba schließlich stehen für zwei völlig unterschiedliche Leben. Die Konfrontation mit dem traditionellen Eheleben der Schwägerin führt Sipang dazu, ihre eigenen Ansichten über die Liebe und das Leben zu hinterfragen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, daß sich hinter äußeren Verletzungen solche verbergen, die nicht sichtbar sind.
Korrespondierend zu einer Handlung, die sich zum großen Teil in Innenräumen ereignet, findet sich auch die überraschende Auflösung der Geschichte im Inneren, in der Seele eines Menschen. Die hierbei entwickelte Spannung gibt dem Film zum Schluß eine Wendung, die an einen Thriller erinnern läßt.
Originaltitel: KUEN RAI NGAO
Thailand 2003, 118 min
Verleih: Kinemathek
Genre: Drama, Poesie
Darsteller: Siriyakorn Pukkavesa, Nicole Theriault, Pongpat Wachirabunjong
Regie: Pimpaka Towira
Kinostart: 14.07.05
[ Jane Wegewitz ] Für Jane ist das Kino ein Ort der Ideen, ein Haus der Filmkunst, die in „Licht-Schrift“ von solchen schreibt. Früh lehrten sie dies Arbeiten von Georges Méliès, Friedrich W. Murnau, Marcel Duchamp und Man Ray, Henri-Georges Clouzot, Jean-Luc Godard, Sidney Lumet, Andrei A. Tarkowski, Ingmar Bergman, Sergio Leone, Rainer W. Fassbinder, Margarethe v. Trotta, Aki Kaurismäki und Helke Misselwitz. Letzte nachhaltige Kinoerlebnisse verdankt Jane Gus Van Sant, Jim Jarmusch, Jeff Nichols, Ulrich Seidl, James Benning, Béla Tarr, Volker Koepp, Hubert Sauper, Nikolaus Geyrhalter, Thierry Michel, Christian Petzold und Kim Ki-duk.