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Onegin

Traumhafte Bilder und romantisches Leiden

Nicht zum ersten Mal stellt der OSCAR-prämierte Schauspieler Ralph Fiennes unter Beweis, daß er wie kaum ein anderer in der Lage ist, Emotionen und komplexe Charaktere intensiv und vielschichtig zu gestalten. Die Rolle der Titelfigur von Alexander Puschkins Versroman aus dem 19. Jahrhundert gibt ihm erneut Gelegenheit dazu. Allein die Vorlage bietet alles, was heftiges Gefühlskino braucht: Liebe, tragische Schicksalsschläge und ein junger Schöngeist, der seine einzige Chance auf das große Glück verpaßt. Den zynischen, sensiblen St. Petersburger Adeligen Onegin verschlägt es in die russische Provinz, wo er Tatjana, die Liebe seines Lebens kennenlernt. Die junge Frau ist schön, klug und betet ihn an. Doch er entscheidet sich gegen sie. Erst Jahre später erkennt er seinen Fehler und gesteht ihr seine Liebe. Aber die Einsicht kommt zu spät, denn Tatjana ist inzwischen verheiratet und entschlossen, ihren Treueschwur nicht zu brechen.

In gemächlichem Tempo wird die Geschichte nacherzählt, ohne Hast und mit viel Gespür für die Eigendynamik der Ereignisse. Da bleibt reichlich Zeit für wunderschöne Bilder, in denen das Auge schwelgen kann. Daß sich die Kamera an theatralischen Gesten und malerischen Stimmungen gelegentlich etwas zu überschwänglich festsaugt, kann man verzeihen, denn die sorgsam ausgestatteten Interieurs, die historischen Kostüme und die Exotik zaristischen Prunks verbreiten einen seltsamen Zauber. Die mit Poesie und geistreicher Ironie gespickten Dialoge sind stimmig und fügen sich nahtlos in die Szenerie ein, ohne je aufgesetzt zu wirken.

Störend auffällig sind allerdings die eigentümlichen Seufzer, die Liv Tyler mit schöner Regelmäßigkeit von sich gibt, und denen sich die Synchronsprecherin mit besonderem Eifer gewidmet hat. Überhaupt scheint die junge Mimin vor allem wegen ihrer - zugegeben - herrlich ätherischen äußeren Erscheinung als Tatjana besetzt worden zu sein.

Originaltitel: ONEGIN

GB 1998, 106 min
Verleih: Helkon

Genre: Literaturverfilmung, Tragödie, Liebe

Darsteller: Ralph Fiennes, Liv Tyler, Toby Stephens

Stab:
Regie: Martha Fiennes
Musik: Magnus Fiennes

Kinostart: 21.09.00

[ Sylvia Görke ]