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Online für Anfänger

... in fortgeschrittenem Komödiengold

In einem Film von Benoît Delépine und Gustave Kervern zu sitzen, darauf deutet sofort die erste Szene hin: Da schubbert Marie ihren Hintern ausgiebig an einem dürren Bäumchen, welches danach noch etwas kränklicher aussieht als vorher schon. Willkommen in der Welt von Frankreichs Regieanarchisten und einer Nachbarschaft, wo rüde Leute Druckerpatronen im Gelben Sack entsorgen – Barbaren!

Und plötzlich hat man den Spiegel vorm Gesicht, derweil die erwähnt vom Juckreiz Geplagte zwecks Eigenfinanzierung online Mobiliar vertickt. Freundin Christine versucht’s als Uber-Fahrerin, kämpft jedoch um bessere Bewertungen und gegen Seriensucht. Bertrand schließlich hat sich in die Stimme einer mauritischen Callcenterdame verguckt (= verhört?) und bekommt immerhin 250% der Hörgeräte-Kassenleistungen erstattet, das kostenlose Antivirenprogramm für 14 Euro monatlich springt ergo raus. Und dann wird Marie mit einem privaten Sextape erpreßt …

Mindestens jeden dritten Satz ein Gag scheint das gesteckte Ziel gewesen zu sein, wobei Vielfalt die extrem hohe Trefferquote erklärt: vom super platten, darin saukomischen Schenkelklopfer – VERRÜCKT NACH MARY 2.0! – über höhere Humorweihen bis zur hinterlistig abgeworfenen Zynismusbombe allerhand dabei. Stets nah an einer internetfrei kaum mehr denkbaren Wirklichkeit – wie konnten wir damals eigentlich überleben, ohne unsere Krankheiten in Dr. Googles Sprechstunde selbst zu diagnostizieren? Verliebte man sich alle elf Sekunden auch fern vorgeschlagener Matches? Und mußten Influencer gar richtig arbeiten?

Erwartungsgemäß überhöhen Delépine und Kervern zwar in entspannter Launigkeit, befeuern aber regelmäßig den emotional finsteren Kern ihrer Geschichte; es lauern Einsamkeit und Abhängigkeit, was der Sache Bodenhaftung verleiht. Zusätzlich dazu, daß das intendiert total Überkandidelte teils ja bereits von der Realität eingeholt wurde. Coronabedingt schlagartig erhöhtes Aufpoppen an Verschwörungssuppenköchen schleicht in den Sinn: beispielhafte Nennung Miriam Hopes, die per Social Media u.a. – vielleicht nach einer geschnieften Line Enthaarungscreme? – vor maskenlose Menschen wegfangenden Drohnen warnt. Hier brummt das Fluggerät als krönender Abschluß durch luftige Höhen, entführt keinen. Ein Bild des Friedens entläßt uns von einem Wahnsinn (höllisch unterhaltsam) zurück in den anderen (geht so).

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...