25 Jahre hat es gedauert, daß die FSK-Prüfstelle OPERA, einen der konventionelleren Giallo-Filme des italienischen Kultregisseurs Dario Argento, vom Index nahm, und das Werk nun in vollem Umfang (im Gegensatz zu der vorherigen, um 20 Minuten gekürzten Version) und auf reguläre Weise für das deutsche Publikum verfügbar gemacht wurde. 2015 bereits auf Blu-ray und DVD erschienen, können sich nun auch passionierte Kinosaalbesucher die Frage stellen, ob sich das Warten gelohnt hat.
Die junge Betty ist eigentlich nur die Zweitbesetzung für die fluchbehaftete Sopran-Rolle der Lady Macbeth in dem von Horrorregisseur Marco inszenierten Opernstück. Doch als die Erstbesetzung panisch die Probe verläßt, wird sie von einem Auto angefahren, als sie sich durch Massen ihrer Fans und Reporter auf die Straße kämpft. Betty brilliert in ihrer Rolle und wird von der Presse gefeiert. Doch als ein Skimaske tragender Mann – scheinbar ein brennender Verehrer – beginnt, vor ihren Augen Kollegen und Freunde abzuschlachten, steht sie vor einer viel größeren und traumatisierenderen Herausforderung als der nächsten Vorstellung des Bühnenstücks. Der Mann scheint überall zu sein, an jedem Ort, an den sie zu flüchten versucht, und ein ums andere Mal gelingt es dem Serienmörder, sie ausfindig zu machen, zu fesseln und sie mittels einer Klebeband-Nadel-Konstruktion – unter ihren Augen angebracht, so daß ein Schließen mindestens äußerst schmerzhaft und blutig wäre – zur ungewollten Voyeurin seiner Taten zu machen.
Das Konstrukt von OPERA ist klassischer Giallo. Auf einem Thriller- und Suspense-Fundament baut Argento – immerhin einer der Großmeister des Genres – ein lineares, deutliches Katz-und-Maus-Spiel zwischen Mörder und Opfer, bei dem die Nebenfiguren nur so dahingemetzelt werden. Obwohl man sagen muß, daß sich Argento hier durchaus noch zurückhält in der Gewaltdarstellung. Dazu kommt die so typische Untermalung mit klassischer Musik (Verdi) sowie dem einen oder anderen Metal-Song. Die Kamerafahrten machen vor allem durch die opulenten Kulissen Spaß. Allein die Ego-Kamera-Sicht des Mörders ist zu 08/15 gehalten. Hier hat man zwar einen der solideren Argentos, der durchaus seine Stärken hat. Doch das Overacting der Schauspieler und eine zu stark „By The Book“ spielende Regie schmälern den Eindruck.
Originaltitel: OPERA
I/USA 1988, 107 min
FSK 16
Verleih: Drop-Out Cinema
Genre: Psycho, Thriller, Killer
Darsteller: Cristina Marsillach, Ian Charleson, Urbano Barberini, Antonella Vitale, Daria Nicolodi
Regie: Dario Argento
Kinostart: 05.01.17
[ Philipp Winkler ] Philipp mag Filme, die sich in Randgebieten jeglicher Fasson abspielen. Filme, die mitten hinein treffen (und sei es in die Fresse). Filme, die frisch sind, selbst wenn sie siebzig Jahre alt sind. Philipp mag Literaturverfilmungen, denn er schreibt selbst. Doch grundsätzlich mag er auch Comicadaptionen, denn Philipp mag Comics. Er greift eher zu einem guten Dokumentar- als zu einem guten Spielfilm. Diese Leute mag Philipp besonders: James Marsh, Michael Haneke, Harmony Korine, Sabu, Errol Morris, Shohei Imamura, Jeff Nichols, Andrei Tarkowski, John Hillcoat, Hayao Miyazaki, György Palfi, Francis Ford Coppola und Hirokazu Koreeda.