Originaltitel: OPPENHEIMER

USA 2023, 181 min
FSK 12
Verleih: Universal

Genre: Biographie, Drama, Thriller

Darsteller: Cillian Murphy, Emily Blunt, Matt Damon, Robert Downey Jr., Florence Pugh, Josh Hartnett, Casey Affleck, Rami Malek, Kenneth Branagh, Matthew Modine, Gary Oldman, Matthias Schweighöfer

Regie: Christopher Nolan

Kinostart: 20.07.23

14 Bewertungen

Oppenheimer

Das dicke Ende kommt noch – und das ist gut so

Grau war schon immer die zu bevorzugende Farbe, weswegen selbst das im Home Office angefressene Hinternfleisch seine guten Seiten hat. Zum Beispiel, wenn man sich jetzt in Christopher Nolans neues Werk traut, um nachzuprüfen, ob der Vorab-Blumenschmiß Berechtigung hat. Direkt vorweg: Eine allgemeingültige Antwort gibt es natürlich kaum.

Vielleicht dient’s aber der Annäherung, den gigantischen Nolan-Bonus mal zu ignorieren? Den Film einfach Film, das Biopic schlicht Biopic sein zu lassen? Wer das probiert, hält ab Szene 1 die Ohren nicht gleich zu, jedoch besser fest: Von 181 Minuten Laufzeit dudelt, klimpert, klampft oder wummert gefühlt 177 lang Musik, der auf möglichst druckvolle Effekte getrimmte Sound macht beispringend jedem modernen Horrorstückchen alle Ehre. Eine übliche Biographie, Atmen, zur Einkehr bittende Stille? Wo denken Sie hin! Zwischen schnellen Schnitten, Pingpongdialogen, regelmäßig eingestreuten visuellen Effekten entfaltet sich auf mehreren Zeitebenen das Leben des „Vaters der Atombombe“, parallel hektisch und detailliert. Reden, reden, reden heißt das Motto, dem unbedingt gefolgt wird; darum schade, weil Cillian Murphy lieber täte, was er entlang einer gediegenen Karriere perfektionierte, mit irritierenden Augen kommunizieren nämlich. Erinnerungswürdige Weihen bleiben ihm letztlich verwehrt, denn ständig, siehe oben, muß sich der Mund öffnen … Sowieso schleift Nolan ein wahnwitziges Starensemble eher durch, berühmte Menschen füllen kleinste Rollen, fast niemand glänzt heraus, Florence Pughs Talent verschwendet sich gar darin, vor beiläufigem Tod großteils nackt (auf Murphy) herumzusitzen. Etwas fleischiger die Ehefrauen-Rolle Emily Blunts, zunächst ziemlich undankbar und passend dazu seltsam nachlässig gemimt, gegen Ende indes ein echtes Highlight. Wie formschön Kitty den Ankläger ihres Gatten zerlegt, sollte man erleben!

Trotzdem gehört die Show ganz klar den Herren, von Kenneth Branagh über Matt Damon, Josh Hartnett, Rami Malek, Gary Oldman oder Casey Affleck bis zum erwartungsgemäß dauergrinsenden Matthias Schweighöfer. Und Robert Downey Jr. als Lewis Strauss. Ein Gesicht, in das sich Falten kraterähnlich eingruben, aus dem von allem zu viel spricht. Zu viel gesehen, geschluckt, ausgekotzt. Innen ein vergorener Cocktail aus Ego, Rachsucht, Verbitterung. Downey Jr., ein Szenendieb erster Garde. Und Rettungsanker, falls das Skript sich wieder beim intellektuellen Sätzewerfen gefällt: „Gott würfelt nicht.“ – „Ganz genau!“ Wozu der kluge Mann monieren mag: „Klingt etwas reduktionistisch.“ – „Pragmatisch.“ Ja, Worte aus Stein, Denkmäler, Ansagen, Dialoge im Vortragsmodus. Gerät dieser aus Nolans Feder nun automatisch spannender? Mancher will es zweifellos so empfinden.

Geschieht schließlich das, worauf jeder hier hinarbeitet, explodiert ergo spektakulär die Bombe, quält Oppenheimer angesichts bekannt furchtbarer Konsequenzen Schuld und treten übermächtige Instanzen aus dem zwecks Beobachtung gesuchten Schatten, markiert das einen Wendepunkt. Protagonist und Film gewinnen an Dichte, Konturen schärfen sich, es geht weniger drum, aus den dauerglücksfeuchten Augen der Ausstatter zu blicken. Tatsächlich, jene letzte Stunde bezwingt, berauscht, verschnürt. Es scheint, daß zwei Drittel Verwendung fanden, den finalen Akt vorzubereiten, aus der zurückliegenden Dürre unverhofft Prächtiges zu zaubern. Wie auf die Los Alamos umgebende Wüste prasselnder Platzregen. Und richtig, das leichte Zittern danach kommt aus den eigenen Knien …

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...