Mrs. Flynn ist tot. Aufgebahrt liegt sie in der guten Stube, umringt von ihren erwachsenen Kindern. Thomas, Michael, John und Sheila machen sich auf ins Pub, um den Abend vor der Beerdigung gemeinsam zu verbringen. Doch der besinnliche Umtrunk gerät zum Desaster:
Michael wird durch einen Messerstich schwer verletzt, als er seinem Bruder Thomas beistehen will. Der hat soeben auf der Kneipenbühne weinend und hingebungsvoll einen schmalzigen Schlager zu Ehren der Verstorbenen angestimmt, und wird natürlich verlacht. John schwört tödliche Rache für den Anschlag und zieht los, um sich eine Waffe zu besorgen.
Michael läßt sich unterdessen notdürftig verarzten und begibt sich ins nächste Gasthaus. Als der Wirt mit seinem Betragen nicht zufrieden ist, wird der immer noch heftig Blutende kurzerhand in den Keller gesperrt. Zu Michaels Verwunderung ist er hier nicht allein.
Wunderbar gelingt es Peter Mullan, die durch den Tod der alten Mutter plötzlich Verwaisten in ihre ganz persönlichen Abgründe zu schicken. So muß der streng religiöse Thomas erleben, wie bei der Totenwache die Marienstatue zu Bruch geht und das Kirchendach abgetragen wird. Im Wahn gläubiger Pflichterfüllung weigert er sich, seine an den Rollstuhl gefesselte Schwester nach Hause zu bringen und schickt sie allein in die Nacht. Nun muß Sheila Fremde um Hilfe bitten. Für jeden der vier konstruiert Mullan eine Privathölle, in der sie ihren Ur-Ängsten gegenüberstehen und entwickelt gewissermaßen durch ein Negativ-Bild ihre Eigenheiten.
Dabei balanciert er auf dem schmalen Grat zwischen Märchen und realistischer Genauigkeit. In immer absurdere Situationen läßt er seine Figuren treiben und verzaubert das nächtliche Glasgow mit magischen Bildern. Und
Mullan beweist in seinem Regiedebüt nicht nur, daß er ein untrügliches Gespür für skurrile Charaktere hat. Er setzt noch einen drauf und verzerrt das, was gemeinhin unter "schwarzer Humor" läuft, in phantastisch-groteske Dimensionen.
Originaltitel: ORPHANS
GB 1998, 101 min
Verleih: Kairos
Genre: Tragikomödie
Darsteller: Douglas Henshall, Garry Lewis
Regie: Peter Mullan
Kinostart: 15.06.00
[ Sylvia Görke ]