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Orphea In Love

… und Axel in Hochform

Wenn unterdrückte Callcenter-Mitarbeiter spontan in Gesang verfallen, dazu gar die miststückige Chefin plötzlich hochbehackte Hufe schwingt, haben wir’s mit einem Musical zu tun. Vorliegend sozusagen einem Opern-Musical, weil Arien erklingen, neben bekannten Gassenhauern auch weniger die Straßen Fegendes. Hauptdarstellerin Mirjam Mesak, der Bayerischen Staatsoper entliehen, singt sie gut, aber es fehlt ihr Callas’ Wahrhaftigkeit, die virtuose Zerbrechlichkeit einer Cotrubas oder totale Rollenunterordnung der Jaho. Die immer leicht harte Stimme gefriert gerade bei „Addio, del passato“ zum den Zuhörer einigermaßen kaltlassenden Stahlträger.

Dafür trumpft Axel Ranischs Regie umso mehr auf, kippt ein Füllhorn nicht bloß visuell großartiger Ideen aus, destilliert den Operngeist kongenial: Kaum eine Kunstform ist ihm ebenbürtig in gleichberechtigter Koexistenz von artifiziell und echt, grausam und schön, albern und emotional. Sämtlich hier versammelte Attribute. Ranisch transformiert Glucks Furien zu vergnüglich menschlichen Feuerdämonen, nimmt dämliche Inszenierungsmätzchen treffend aufs Korn (Verdis Violetta erfleht an einer Kloschüssel hängend Gottes Gnade – logisch!), umschifft Kitschklippen auf sich über ihnen türmenden Ironiewellen und dreht den „Orpheus und Eurydike“-Mythos einmal um 180°.

Heraus kommen Orphea und Eurydikus, die talentierte Garderobiere und der kleinkriminelle Straßentänzer. Sie quert für sein Leben die Unterwelt ihrer traumatisierten Seele, es weht frischer Wind, löscht jede böse Erinnerung an museale Werktreue und ausgeflipptes Regietheater. Eine fabelhafte Spielwiese, nicht nur Klassikfreunden empfohlen.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...