Originaltitel: POPE FRANCIS: A MAN OF HIS WORDS

USA/F/D/I/CH 2018, 96 min
FSK 0
Verleih: Universal

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Wim Wenders

Kinostart: 14.06.18

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Papst Franziskus – Ein Mann seines Wortes

Der durch den Wenders spricht

Kann ein Angebot der PR-Abteilung des Vatikans unmoralisch sein? Wim Wenders’ Papst-Porträt ist nicht vom Himmel gefallen, sondern wurde von den Kommunikationsspezialisten der Römischen Kurie angefragt. Daß damit weder Vorgaben noch Auflagen verbunden waren, betonen alle Beteiligten – eiliger, als irgendwer die despektierliche Bezeichnung „Auftragswerk“ zu buchstabieren vermag.

Wenders bekam die Möglichkeit, im Vatikan zu drehen. Er nutzte die sehr exklusive Sondererlaubnis, um vier lange Interviews mit Papst Franziskus in diesem Setting zu führen. Da sitzen sie also inmitten des architektonischen Prunks und sprechen über: Armut. Als eines der großen Übel der Welt und als Imitatio Christi, zu der sich dieser Summus Pontifex in Glauben und Amt bekennt. Dann wird einer dieser prachtvollen, in den herrlichsten Farben bezogenen Polsterstühle in eine vatikanische Parkanlage gestellt. Dort spricht man über: Naturschutz. Als Notwendigkeit in Anbetracht der Verheerungen, die der Raubbau auslöst, und als von Gott auferlegte Pflicht zur Bewahrung der Schöpfung. Verstanden: Mit ein wenig Gefühl für Dialektik paßt das alles. Aber was heißt hier Interview? Wenders bedient sich des „Interrotrons“, eine Wundermaschine, die dem Sprecher auch visuell den Status der ersten Person zuweist. Der Papst teilt sich einem Auge in Auge mit, antwortet aber auf den nur für ihn sicht- und hörbaren Fragensteller. Nähe soll das herstellen zu diesem erklärterweise nahbaren Mann. Aber es hat eben auch die Anmutung des Vortrags, der sich Zwischenrufe verbittet.

Nähe ist Programm – in mindestens doppelter Hinsicht. Denn Wenders arbeitet im „mobileren“ Teil seines Films mit Material des Centro Televisivo Vaticano, dem Chronisten und medialen Botschafter des päpstlichen Tuns. Besuche bei Kranken, Geflüchteten, Inhaftierten, Bedrängten und Verelendeten auf allen Kontinenten, die nach den segnenden Händen greifen – solche Aufnahmen stammen aus dieser Quelle. In einigen Fällen nur vermutlich, denn die Provenienz der Bilder gerät in Unordnung. Spätestens wenn man zu überlegen beginnt, welche von ihnen dem Regisseur und welche Vatikan-TV zuzutrauen sind, fällt einem ein, daß es auch für Zugewandtheit und Demut Pathosformeln gibt. Die werden von Künstlern wie Dienstleistern seit jeher gleichermaßen beherrscht. Und spätestens dann kommen einem Begriffe wie „Image-Film“ oder „Sendungskino“ in den Sinn. Sie kommen, um zu bleiben – auch dort, wo Kunstwollen und Autorenschaft unstrittig sind. Dazu gehören stumme, schwarzweiße „Nachstellungen“, gedreht mit antiker Kurbelkamera, die sich in die Erweckungserfahrungen des Franz von Assisi versenken – und damit, sogar ein bißchen schmunzelnd, allerhand apotheotische Werke der filmhistorischen Steinzeit bis hin zum italienischen Neorealismus aufrufen.

In Filmen von Wim Wenders sitzt man häufiger andächtig. Nicht immer nur aus Bewunderung für den „Auteur“, sondern auch wegen dessen ehrerbietiger Haltung zu den eigenen Sujets. In PAPST FRANZISKUS könnte das wieder passieren. Der Sympathieträger der römisch-katholischen Kirche, dem die Herzen leichter als seinen Amtsvorgängern zufliegen, der aber eben auch säuberlich getrennt von „seiner“ Institution vorgestellt wird, richtet schöne Worte an uns. Weit und breit keiner, der widerspricht.

[ Sylvia Görke ]