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Paraiso (2003)

All die traurigen jungen Männer

Guantánamo, 1000 Kilometer östlich von Havanna ist der beste und der schlechteste Ort der Welt, eine Band zu gründen. Hier gibt es genug Jungs, die in den Straßen herumhängen und vom Ruhm träumen. Hier mischt sich der allgemeine Weltschmerz von Jungmännern besser als anderswo mit real existierender Langeweile: man kann über die Einsamkeit und die Armut singen und davon, daß man trotz allem auf dieser Heimat beharrt und einen Scheiß gibt auf die Verräter, die nach Havanna gehen, an die Strände, zu den Touristen-Dollars. Man kann darüber singen, aber man muß es auch aushalten; die Band am Leben halten.

In PARAISO erzählt die rumänische Dokumentar-Filmerin Alina Teodorescu von den traurigen, zornigen jungen Männern von Madera Limpia, die durch, aber nicht von ihrer Musik leben können, von Melancholie, Behauptungswillen und Machismo. Band-Leader, Chef-Poet und Gig-Organisator von Madera Limpia ist Yasel. Yasel sagt: "Glücklichsein - das heißt zu wissen, wo’s lang geht". Und auch, wenn Yasel manchmal tagelang nur auf Mutterns Bett vor sich hindöst, er gibt das Bandkonzept vor: Als Unterbau das Bekenntnis zur Heimat - den melodischen Changúy, den Vater des Son, gespielt auf traditionellen Holzinstrumenten. Und für das Aufbegehren - für Pathos, Witz und Wutschrei - Rap und Hip Hop. Dann noch ein paar Mambo-Akkorde und bei wichtigen Gigs einen Bläsersatz, damit es knallt, doch vor allen Dingen Rafaels gelben 57er Chevy als Tour-Bus. Natürlich nur, wenn Rafael endlich mal Benzin für die Kiste auftreiben kann.

PARAISO entstand so, wie viele Dokumentarfilme über Kuba entstehen - als improvisiertes Projekt, weil der eigentliche Film an Behörden und mangelnder Infrastruktur scheiterte. Ein anderes Problem mit Filmen über Kuba ist, daß wir über dieses Land so starke Klischees im Kopf haben, daß es eine wirklich witzige Idee, einen kreativen Kraftakt braucht, um diese Klischees zu unterlaufen, oder - was vielleicht noch viel wertvoller ist - sie neu entdecken zu lassen. So ein kraftvoller Film ist PARAISO nicht. Es ist ein ansehnlicher, hitzeflirrender, beschwingter Film mit viel guter Musik und grobkörnigen Bildern. Die zornigen Enkel vom Buena Vista Social Club rappen sich eins - das ist nicht das Paradies, aber ganz bestimmt auch nicht die Hölle.

D 2003, 92 min
Verleih: Kairos

Genre: Dokumentation, Musik

Stab:
Regie: Alina Teodorescu
Drehbuch: Alina Teodorescu

Kinostart: 19.08.04

[ Christian Seichter ]