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Parasol

Trias in Tristesse

Der Parasol, das ist eigentlich ein Pilz. Einer aus der Familie der gemeinen Riesenschirmlinge, dem Champignon verwandt. Also ein recht ansehnlich großes Exemplar. Zudem ziemlich schmackhaft, aber das soll jetzt keine Rolle spielen. Jedenfalls hat man irgendwann, findig wie der Mensch so sein kann, mit Parasol auch Sonnenschirme zu bezeichnen begonnen. Also diese gern mehr oder weniger ansehnlich buntgemusterten Schattenspender für Strand, Garten, Terrasse, die natürlich gerade auch auf Mallorca besonders üppig sprießen. Zumindest in der Hauptsaison. Die allerdings jetzt in Valéry Rosiers Film PARASOL echt schon in den letzten Zügen zuckt, im wie abgestandenen Licht einer Sommersonnen-Agonie dahintrieft.

Irgendwie abgestanden wirken auch Alfie, Annie und Pere. Drei ganz unterschiedliche Typen zwar, aber vereint unterm Stern des Scheiterns, auserkoren vom Schicksal, als Unglücksritter passend trauriger Gestalt durchs Leben zu dümpeln. Alfie etwa ist schüchtern bis zur Selbstaufgabe. Ein junger, stiller Kerl, der mit seinen Eltern Urlaub auf dem Campingplatz macht und von einem Flirt mit dem Girl aus dem Nachbarwohnwagen träumt. Nur strahlt Alfie eine derartige Passivität aus, daß er lediglich für prollige Sauftouristen interessant ist. Als Opfer, zum Ausnehmen und Demütigen.

Auch Annie träumt. Von der Liebe zum Mann ihrer erotischen Geplänkel, die die korpulente Seniorin in einem der einschlägigen Chat-Foren führte. Mit einem Typen, der auf Malle wohnt und der – da verrät man nicht zu viel – alles andere als angetan ist, als Annie mit einer Seniorenreisegruppe aus Belgien anreist. Pere schließlich hat ganz andere Sorgen – abgebrannt, geschieden, sauertöpfisch tuckert er Tag für Tag mit einer Bimmelbahn Touristen durch die Gegend. Und hat dabei nur einen Gedanken: Wie kann er seiner kleinen Tochter einen Geburtstag bereiten, den sie nie vergessen wird?

Eine Trias in Tristesse. Und ein Film, der das ausmalt in schmucklosen Bildern und einem Rhythmus, der, trotz aufblitzendem Gelegenheitshumor, derart trüb dahinschlappt, das just diese Anti-Ästhetik dokumentarischen Erzählgestus’ plötzlich alles andere als eben die angestrebte Authentizität oder Realismus verbreitet. Zu viel davon wirkt hier zu forciert, um wirklich zu wirken. Und ebenso, wie dabei Authentizität als Kalkulation aufscheint, wächst hier und da aus diesem Realismus ein zarter, ganz spezieller Pilzbelag von Kitsch.

Originaltitel: PARASOL

Belgien 2015, 80 min
FSK 12
Verleih: Eksystent

Genre: Tragikomödie

Darsteller: Alfie Thomson, Julienne Goeffers, Delphine Théodore

Regie: Valéry Rosier

Kinostart: 24.08.17

[ Steffen Georgi ] Steffen mag unangefochten seit frühen Kindertagen amerikanische (also echte) Western, das „reine“ Kino eines Anthony Mann, Howard Hawks und John Ford, dessen THE SEARCHERS nicht nur der schönste Western, sondern für ihn vielleicht der schönste Film überhaupt ist. Steffen meint: Die stete Euphorie, etwa bei Melville, Godard, Antonioni oder Cassavetes, Scorsese, Eastwood, Mallick oder Takeshi Kitano, Johnny To, Hou Hsia Hsien ... konnte die alten staubigen Männer nie wirklich aus dem Sattel hauen.