D 2014, 81 min
FSK 0
Verleih: Neue Visionen
Genre: Dokumentation
Stab:
Regie: Bettina Blümner
Drehbuch: Bettina Blümner
Kinostart: 11.06.15
Hört man Eltern oder andere Verwandte fortgeschrittenen Alters von der Zusammenkomm-Phase reden, wird ja häufig mal eröffnet, einander „beim Tanz“ kennengelernt zu haben. Das Parkett als Kuppelpflaster funktioniert bei Generation Gold offenbar heute noch, vor Pariser Clubs bilden sich lange Schlangen alter Leute, darunter Gino, Eugène, Christiane und Michelle, alle Singles.
Regisseurin Bettina Blümner ist dort nicht nur wegen ihrer Jugend eine Außenstehende, fügt sich still in jene Rolle, filmt aus der Distanz, beobachtet respektvoll, zerrt keinen vor die Linse, grätscht nie rein oder nötigt zu Geständnissen. Was Gino & Co. preisgeben möchten, entscheiden sie, plaudern vielleicht genau deswegen erstaunlich offen, wobei Geschlechterunterschiede aufscheinen: Während die Männer nach weiblichem Körperkontakt suchen, Flirts oder gar Sex als Zielerfüllung ansehen, geht es den Damen um Emotionen, das Miteinander, noch existiert die Hoffnung auf einen späten Märchenprinzen. Indes lauern Enttäuschungen ringsum, so heftig, daß teils Beruhigungsmittel nötig sind. Die Herren hingegen schlucken höchstens Viagra.
Das montiert Blümner geschickt und berührend, doch keimt trotzdem der Eindruck, lediglich zu hören, was die Protagonisten untereinander schon oft berichteten, inklusive Blättern in allerlei Fotoalben mit zurechtgerückten Erinnerungen, quasi das Abspulen von über die Zeit auf das vermeintlich Wesentliche – garstige Mutter, unpassender Gatte – reduzierten Leben. Da hätte Blümner durchaus mal nachhaken, diese eigentlich angenehme Scheu vergessen dürfen. Die stärksten Momente gelingen daher im rückblicksbefreiten Hier und Jetzt, etwa dann, wenn Michel, ein gegen gutes Geld zu Tanzzwecken mietbarer „Taxiboy“, eine Stammkundin als „Jackpot“ bezeichnet, weil sie große Summen für seine Dienste ausgibt – und man die Verzweiflung jener einsamen Seele geradezu am eigenen Leib spürt. Ganz ähnlich eine Sequenz, in der uns Gino eine langjährige Freundin, welche ihm offensichtlich sehr viel bedeutet, vorstellt: Blümner fokussiert parallel darauf, wie Cousin Eugène, der kurz vorher noch meinte, nie jemanden geliebt und immer mehrere Frauen gleichzeitig gehabt zu haben, betreten zu Boden schaut. Da setzt Blümner treffsichere Akzente und zeigt, wie schutzbedürftig der Mensch in Gefühlsdingen immer bleibt, bis hin zum Belügen des eigenen Herzens.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...