Elf Jahre. So lange begleitete Regisseur Steven Sebring die Rock-Ikone Patti Smith mit der Kamera. Eine ungewöhnlich lange Zeit, selbst für ein Porträt eines Lebens, das derartig erlebnisreich ist wie das der Patti Smith. Früh im Film setzt sich die Porträtierte in eine Ecke ihres New Yorker Apartments und sagt, daß sie hier nicht weggehe, bis der verdammte Film endlich fertig ist. Nun, das lange Ausharren und die unzähligen Interviews haben sich wahrlich gelohnt. Der Film hat so eine Dichte bekommen, die man im Genre der Musikdokumentation selten findet. Füllmaterial: Fehlanzeige.
Gleich zu Beginn vermischen sich auf hypnotische Weise die stimmungsvollen Bilder von amerikanischen Landschaften und den Wirkungsstätten der Rockpoetin mit Pattis altersweiser Stimme, die wie ihre Liedtexte lyrisch verschachtelt ihren Blick auf die Welt und die eigene Vergangenheit wiedergibt. In allem spürt man die Künstlerin, dennoch wirkt kaum etwas gekünstelt. Bei allem In-die-Ferne-Schweifen ihrer eingesprochenen Texte, Sebring kommt dieser Frau wirklich nahe. Man sieht sie mit ihren Eltern, ihren Söhnen, hört sie über den Tod ihres Mannes sprechen und betrachtet sie beim Herumspielen mit Knochenknorpeln aus der Asche ihres Freundes Robert Mapplethorpe. Die Grenze zwischen Privatem und dem Schaffen der Musikerin ist nicht existent, die Kunst treibt sie an, rettet sie aus den Krisen und treibt sie weiter auf ihrem ganz eigenen Weg. Ein Ankommen gibt es nicht. Mit ungestümer Energie lebt der Punk bei Patti Smith fort, Protest prägt auch die heutigen Auftritte der Ikone. Die amerikanische Counter-Culture – bei einem Patti-Smith-Konzert scheint sie ungebrochen.
Elf Jahre, kondensiert zu einem Dokumentarfilmporträt, das Vergleiche mit den bedeutenden Rockdokus deshalb nicht zu scheuen braucht, weil es sich von ihnen durch seine Eigenwilligkeit abhebt und damit gestalterisch seiner Protagonistin wunderbar entspricht. Patti Smith selbst erwähnt im Film den Doku-Meilenstein DON’T LOOK BACK: Jahrelang, erzählt sie, hat sie geübt, wie Bob Dylan im Film ein Taxi heranzurufen und imitiert perfekt Dylans verschrobene Gestik. Unvergeßlich diese Szene und dabei nur einer von vielen traumwandlerisch treffsicheren Momenten in diesem bemerkenswerten Film.
Originaltitel: DREAM OF LIFE
USA 2007, 109 min
Verleih: Pierrot Le Fou
Genre: Dokumentation, Musik
Darsteller: Patti Smith, Sam Shepard, Flea, Michael Stipe, Benjamin Smoke, Jay Dee Daugherty
Regie: Steven Sebring
Kinostart: 01.01.09
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...