Der Basar ist traditionell der Ort jeglichen Lebens im Orient. Hier werden die täglichen Einkäufe getätigt, ein Schwätzchen mit dem Standbesitzer gehalten, Tee getrunken und Klatschgeschichten verbreitet. So auch in jener kleinen Stadt im ostanatolischen Teil der Türkei, in dem Mirham mit Frau Elif und ihrem Kind lebt. Mirham ist ein Hansdampf in allen Gassen. Er kann alles beschaffen, was seine Kunden brauchen. Sogar haargenau die Telefonleitung, die am Tag vorher geklaut wurde, frei nach seinem Motto: Frag nicht, woher es kommt, Du weißt auch nicht, woher der Mond sein Licht nimmt.
Der englische Regisseur Ben Hopkins reiht amüsante kleine Schelmengeschichten aneinander und erschafft den Basar als Bühne für seine Figuren: ein cholerischer Teppichfabrikbesitzer, der schmierige Mafiosi, die treusorgende Elif und eben Mirham, das etwas blauäugige Schlitzohr. In Zeiten der Globalisierung wird es für ihn allerdings immer schwerer, als Einzelkämpfer zu überleben. Doch bisher fühlte sich Mirham als kleiner Fisch im Haifischbecken ganz wohl und will sich nicht von der örtlichen Mafia kaufen lassen. Seine Pläne sind andere; er möchte den modernen Zeiten Tribut zollen und einen Handy-Laden eröffnen. Doch die Lizenzen sind teuer, und wie er bald merkt auch nicht verhandelbar. Als die Ärztin des örtlichen Krankenhauses Mirham bittet, dringend benötigten Impfstoff für Kinder aus dem benachbarten Aserbaidschan zu besorgen, ergreift Mirham seine Chance ...
An dieser Stelle wandelt sich die komödiantische Gesellschaftsparabel von Ben Hopkins in ein spannendes Roadmovie. Die Suche nach dem Impfstoff gestaltet sich nämlich mehr als schwierig, weil die Mafia ebenfalls ihre Chance gewittert hatte, Mirham zur Vernunft zu bringen. Hopkins arbeitet mit den Mitteln eines klassischen orientalischen Märchens. Immer wieder tauchen singende Geschichtenerzähler auf, die die Handlung in einen größeren Kontext setzen. Und dieser ist die Welt des Geldes, der Macht und der Funkmasten, die der Kapitalismus eben so mit sich bringt und die auch vor abgelegenen anatolischen Städtchen nicht halt macht.
PAZAR ist ein schön erzählter Ausflug auf den Basar der Gegenwart und Zukunft, der einen entspannten Kinobesuch verspricht, mit einem sympathischen Hauptdarsteller. Tayanc Ayaydin gewann für seine Rolle als Mirham in diesem Jahr den Preis als Bester Darsteller in Locarno. Zu Recht.
Originaltitel: PAZAR
D/GB/Kasachstan/Türkei 2008, 93 min
Verleih: Piffl
Genre: Drama, Roadmovie
Darsteller: Tayanc Ayaydin, Genco Erkal, Senay Aydin, Hakan Sakin
Regie: Ben Hopkins
Kinostart: 11.12.08
[ Susanne Schulz ]