Der russische Künstler Ilya Kabakov, der sich in seinen Arbeiten immer wieder mit dem Leben in der Kommunalwohnung auseinandergesetzt hat, spricht von diesem, als einem „tagtäglichen Straflager“, das den Geist des gesamten Landes von der Revolution 1917 bis fast zum Ende der 80er Jahre geprägt hat. Tragödien haben sich in den Wohnungen abgespielt. Und auch wenn nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Staat seinen Bürgern ihr jeweiliges Zimmer zum Geschenk machte und viele plötzlich in den Rang von Immobilienbesitzern erhoben wurden, hat sich das tieferliegende Problem nicht gelöst – der Mangel an Privatsphäre.
Christiane Büchner und ihre Kamerafrau Irina Uralskaja haben zwei Jahre damit verbracht, Zugang zu den komplizierten Beziehungen in einer Gemeinschaftswohnung zu finden und den Verkauf einer solchen zu begleiten. Entstanden ist eine schwarze Komödie mit einem starken Hang zum Melodramatischen. Die zwei forschen Maklerinnen, die das fast Unmögliche wagen, lassen sich mit viel Humor dabei in die Karten schauen, wie sie versuchen, jedem Zimmerbesitzer ein klein wenig verbesserte Lebensqualität, im Austausch mit der Einwilligung zum Verkauf, zu bescheren. Trotzdem sind die Spuren jahrelangen Leidens in den Gesichtern der Mieter und in jeder Zimmerecke abzulesen.
Mit viel Geduld und echter Sympathie für ihre Protagonisten folgt Büchner den Erzählungen der Bewohner. Da ist Tatjana, die ihr Zimmer streng nach Feng-Shui eingerichtet hat, um Harmonie zu finden, oder die junge Mutter, deren Sohn vor den Filmarbeiten noch nie im Flur gespielt hat. Minutiös wird dargelegt, wer bis wohin den Gang wischt, und wer wen nicht leiden kann. Gemeinsam ist allen nur eins: Der Traum von einem größeren, schöneren, helleren Zimmer – an eine eigene Wohnung wagt niemand ernsthaft zu denken. Was sich am Ende wie ein Krimi entwickelt – denn immer wieder steht der Verkauf auf Messers Schneide und scheint unzählige Male zu scheitern – droht jedoch aufgrund des immanent Grotesken, fast den bitterbösen Ernst, der jeder Kommunalka innewohnt, zu verschleiern.
Es gilt nicht zu vergessen, daß die Sticheleien und kleinlichen Beschuldigungen, die unsereins zum Lachen bringen, über Jahrzehnte unzählige Male vor Schiedskommissionen führten. Nichtigkeiten ließen einfache Mieter zu Monstern werden, zu Opfern einer staatlich verordneten Schlacht.
D 2008, 85 min
Verleih: Real Fiction
Genre: Dokumentation
Regie: Christiane Büchner
Kinostart: 26.02.09
[ Susanne Schulz ]