Matilda wird nach zwei Jahren Gefängnis für einen Tag entlassen, um zur Beerdigung ihrer Mutter zu fahren. Dafür hat sie 24 Stunden Zeit. Danach muß sie für weitere drei Jahre zurück in den Knast. Doch genau darauf hat Matilda keine Lust und hat deshalb vorgesorgt. Der Mann einer Zellengenossin wartet vor dem Gefängnis auf sie. Er soll sie am Abend zu einem Hafen bringen, von dort aus die junge Frau mit dem Schiff fliehen will. Doch bis dahin hat sie noch ein paar wichtige Dinge zu erledigen. Unangemeldet platzt sie in drei Situationen hinein. Drei Leben, die mit ihrem unmittelbar verbunden sind. Jedes Treffen beginnt für Matilda auf einem einsamen Flur, vor einer verschlossenen Tür.
Erste Station, 8 Uhr, die Wohnung ihres Bruders, mit dem sie zur Beerdigung fahren will, und den sie schließlich darum bittet, ihren Sohn, von dem bisher niemand etwas wußte, aufzunehmen. Um 13 Uhr steht sie vor dem Hotelzimmer von Paul, dem Vater ihres Sohnes, der ihr eine größere Summe Geld schuldet, die Matilda nun dringend für ihre Flucht braucht. Doch Paul ist gerade damit beschäftigt, seine derzeitige Freundin an lüsterne, alte Männer zu verscherbeln. Den gemeinsamen Sohn hat er in ein Heim gesteckt. Um 16 Uhr steht Matilda in diesem Heim vor der letzten Tür ihrer Reise.
PERIFERIC erzählt von vorgezeichneten Lebenswegen. Und davon, daß manche Menschen für ihr Schicksal hart kämpfen müssen. Lange Gänge mit unzähligen Türen, von denen sich aber immer nur eine öffnet. Dieses Bild taucht immer wieder im Film auf. Der Weg vorbei an den Zellen, hinaus aus dem Gefängnis, die Treppenhäuser und Flure, die Matilda zu ihren Begegnungen führen. Und schließlich der Zug, der sie und ihren Sohn zum Hafen und damit in die Freiheit bringen soll. Auch hier wieder der Blick in den langen Gang mit den vielen Abteilen. Matilda scheint nie eine Wahl zu haben. Auch außerhalb des Gefängnisses ist sie gefangen. Aber sie zögert nicht, kennt ihren Weg und kämpft.
Mit einer wie unsichtbaren Kamera in einem wunderschönen dokumentarischen Licht gefilmt, erzählt der Film seine aufwühlende Geschichte mit konzentrierter Ruhe und Kraft. Schauspiel und Inhalt sind auf das Wesentliche reduziert. Ein filmisches Konzentrat, das unglaublich ergiebig ist. PERIFERIC nimmt scheinbar beiläufig ganz akute Schwierigkeiten dieses Landes am Rande der EU in seine Erzählung auf. Damit reicht dieser kleine Film definitiv an das Hollywoodglanzstück 25TH HOUR von Spike Lee heran, der 2002 einen ähnlichen Ansatz verfolgte.
Originaltitel: PERIFERIC
Rumänien/Österreich 2010, 87 min
FSK 16
Verleih: Peripher
Genre: Drama, Schicksal
Darsteller: Ana Ularu, Mimi Branescu, Timotei Duma
Regie: Bogdan George Apetri
Kinostart: 04.10.12
[ Marcel Ahrenholz ] Marcel mag Filme, die sich nicht blind an Regeln halten und mit Leidenschaft zum Medium hergestellt werden. Zu seinen großen Helden zählen deshalb vor allem Ingmar Bergman, Andrej Tarkowskij, Michelangelo Antonioni, Claude Sautet, Krzysztof Kieslowski, Alain Resnais. Aber auch Bela Tarr, Theo Angelopoulos, Darren Aronofsky, Francois Ozon, Jim Jarmusch, Christopher Nolan, Jonathan Glazer, Jane Campion, Gus van Sant und A.G. Innaritu. Und, er findet Chaplin genauso gut wie Keaton ...