Originaltitel: PETITE MAMAN
F 2021, 73 min
FSK 0
Verleih: Alamode
Genre: Poesie, Märchen, Drama
Darsteller: Joséphine Sanz, Gabrielle Sanz, Nina Meurisse
Regie: Céline Sciamma
Kinostart: 17.03.22
Die 8jährige Nelly konnte sich im Pflegeheim nicht richtig von ihrer Großmutter verabschieden. Mit ihrer Mutter fährt sie in das schon fast leere Haus der Verstorbenen. Am nächsten Morgen ist ihre Mutter verschwunden, dafür trifft sie im Wald ein Mädchen, das ihr zum Verwechseln ähnlich sieht – die gleichaltrige Marion.
Céline Sciamma gibt den Zuschauern eher sporadische Hinweise, wie sie die Geschichte der beiden Mädchen interpretieren sollen, vielmehr eröffnet sie einen karg eingerichteten dramaturgischen Raum, den sie als Zufluchtsort für Imaginationen anbietet. Sie unterscheidet dabei selbst aber formal nicht zwischen Imagination und Realität, folgt vielmehr mit ihren erzählerischen Entscheidungen der Wahrnehmung eines Kindes, in der sich Erlebtes und Erdachtes zur eigenen gelebten Realität vermischen. Die Vorstellungskraft wird also zu etwas fast Heiligem, weil sie einen Raum erschafft, der Wertfreiheit und damit Geborgenheit bietet.
Marion und Nelly spielen im Wald, bauen eine Hütte aus Ästen und Laub, besuchen sich gegenseitig in den Kulissen der großmütterlichen Wohnung. Sie treten durch dasselbe Gartentor in ihre jeweiligen Welten, die sich nur durch kleine Verschiebungen unterscheiden. Und nur langsam erschließt sich, daß wir uns auf eine Zeitreise begeben haben, daß Marion eigentlich Nellys Mutter ist. Die Tochter verortet sich in der Kindheit der Mutter und spiegelt sich gleichzeitig in ihr.
Sciammas reduzierte Art zu erzählen lenkt den Fokus ganz auf das zarte Band, welches sich zwischen den Mädchen entwickelt. Es geht ihr nicht darum, daß Nelly ihre Mutter verstehen lernen soll, endlich ihre tiefsitzende Trauer begreifen kann, ihr Verschwinden. Sie interpretiert ganz schlicht eine Facette von Liebe, wie sie zwischen Mutter, Tochter, Großmutter oder eben zwischen Freundinnen bestehen könnte. Die Regisseurin sagte in einem Interview, daß es ihr um „spielerische Möglichkeiten für einen Dialog über die Fiktion von Familie“ geht. Es treffen in ihrer Spielanordnung Ebenbürtige aufeinander. Sciammas Figuren stehen nicht in Konkurrenz, sie fechten keine Konflikte aus. Sie dürfen einfach sein. Damit setzt sie, wie schon in ihren vorhergegangenen Filmen, ein konzentriertes und gleichzeitig sehr poetisches Zeichen für solidarische weibliche Bündnisse.
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...