Nein, dies ist nicht noch ein Dokumentarfilm über die Stars der Klassikmusikbranche, deren Genialität und gegebenenfalls soziales Engagement. Nebenbei: Es wäre doch mal schön, einen Film zu sehen, der seine Helden unter den sogenannten „Tutti-Schweinen“ im Orchester und den vielen gering bezahlten Musikern sucht, die den ganzen Betrieb am Laufen halten. PIANOMANIA, obwohl nah an den Stars, fällt hier wirklich aus dem Rahmen. Der Held des Filmes, Stefan Knüpfer, hat sich gegen den Versuch einer eigenen Solistenlaufbahn als Pianist entschieden und wurde stattdessen zum Meisterstimmer und Cheftechniker bei Steinway & Sons, Wiener Filiale. Er sorgt dafür, daß etwa Alfred Brendel oder LangLang, zwei Nebenepisoden des Filmes, auf der Bühne oder bei Einspielungen zu ihrem brillanten Klang kommen.
Wir befinden uns in einem wohlgemerkt sehr speziellen Milieu, in dem man über Klaviertöne und Klangfarben redet wie andere Spezialisten über Wein, und in dem sich natürlich mit jedem angeschlagenen Ton ein ganzes Universum auftut. Gleichzeitig ist es einfach so unterhaltsam, Knüpfer im Einsatz zu begleiten, daß auch die auf diesem Spezialgebiet weniger versierten Zuschauer auf ihre Kosten kommen. Es handelt sich also keinesfalls um einen Kurs in Instrumentenkunde. Vielmehr liegt die Betonung auf dem kriminalistischen Moment. Jeder Anruf für Knüpfer ist sozusagen ein neuer Fall, den er mit der Ausdauer und Spitzfindigkeit eines Inspektor Columbo löst. Zuweilen fühlt man sich auch an die Bochumer Polizisten Toto & Harry erinnert. Was die beiden Ermittler für Sat1 sind, sind Knüpfer & Aimart für diesen Film.
Die einjährigen Vorbereitungen zur Bach-Aufnahme „Die Kunst der Fuge“ mit dem französischen Pianist Pierre-Laurent Aimart, vom ersten Anspielen bis zur Lösung aller Probleme, bilden nämlich den erzählerischen Rahmen. Knüpfer und Aimart sind aber auch so etwas wie ein Komikerpaar. Wenn der klangkritisch testende Pianist ansetzt: „Frage ...“, erfüllt sich wieder einmal Knüpfers Prophezeiung, daß die Suche nach dem perfekten Klang noch nicht am Ende ist.
Was die beiden verbindet, sind Perfektionismus und Leidenschaft. Und dieses Leitthema des Filmes, das über die Konzertbühnen hinausweist, haben sie ganz offenbar auch mit den beiden Filmemachern Lilian Franck und Robert Cibis gemeinsam. Die erhielten für PIANOMANIA den Kritikerpreis in Locarno.
Österreich/D 2009, 94 min
Verleih: Farbfilm
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Lilian Franck, Robert Cibis
Kinostart: 25.11.10
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...