Mit der schweizerisch-deutschen Produktion POLDER – TOKYO HEIDI stellt sich mal wieder ein hiesiger Film in die lange Tradition der Virtual Reality-Cybernetics-Dystopie-Machwerke, die sonst vornehmlich aus den USA oder Ostasien stammen und dort beackert werden. Mit Hilfe sprunghafter Erzählweise, oftmals schnellem, teils experimentell anmutendem Schnitt und einem wilden Kolorierungs- und Kostümspiel und sporadisch eingerieselten Kommentaren wird hier versucht, etwas Eigenes, etwas Neues zu schaffen. Es gelingt leider nur sehr bedingt, und so stolpert der Film eher vor sich hin.
Der SciFi-Thriller (so wird er im Netz eingeordnet) POLDER – TOKYO HEIDI spielt in der nahen Zukunft. Der Videospielkonzern Neuroo-X hat mit dem sogenannten Red Book die nächste Stufe der Virtual Reality-Games in der Pipeline. Die geheimsten Wünsche der Spieler sollen von der Engine des Red Books verarbeitet und in hyperauthentischer Manier in der Spielwelt und -story verarbeitet werden. Doch dann stirbt der Chefentwickler Marcus unter mysteriösen Umständen, und seine Geliebte Ryuko macht sich auf in die digitale Welt, um die Vorkommnisse von Marcus’ Tod, das Verschwinden des gemeinsamen Sohns Walterli und die Machenschaften von Neuroo-X aufzuklären. Eine Spurensuche von angepeilter INCEPTION’scher Manier beginnt.
Und sofort nach Beginn des Filmes schleicht sich das Hauptproblem an: Der Film geht nach kurzer Einführung mit einer wunderschön surrealen Weitsicht auf eine verwunschene Alm ziemlich in medias res. Das ist per se kein Problem, doch vergaßen die Filmemacher etwas Entscheidendes: die Ein- und Heranführung der Figuren durch eine fehlende Exposition auszugleichen. Und so stolpert man leider wieder und wieder durch wirre Szenengefüge und sieht Figuren zu, die einem als Zuschauer nichts bedeuten und deren Handeln nicht nachvollziehbar ist. So wird es bis zum Abspann bleiben, und es spielen sich zwischenmenschliche, realitätsverzerrende und intrigante Dramen ab, doch bedeutet es nichts, da leider vergessen wurde, den Zuschauer anfangs abzuholen.
CH/D 2015, 90 min
FSK 16
Verleih: Camino
Genre: Experimentalfilm, Schräg, Science Fiction
Darsteller: Nina Fog, Christoph Bach, Friederike Kempter, Philippe Graber
Regie: Samuel Schwarz, Julian Grünthal
Kinostart: 01.12.16
[ Philipp Winkler ] Philipp mag Filme, die sich in Randgebieten jeglicher Fasson abspielen. Filme, die mitten hinein treffen (und sei es in die Fresse). Filme, die frisch sind, selbst wenn sie siebzig Jahre alt sind. Philipp mag Literaturverfilmungen, denn er schreibt selbst. Doch grundsätzlich mag er auch Comicadaptionen, denn Philipp mag Comics. Er greift eher zu einem guten Dokumentar- als zu einem guten Spielfilm. Diese Leute mag Philipp besonders: James Marsh, Michael Haneke, Harmony Korine, Sabu, Errol Morris, Shohei Imamura, Jeff Nichols, Andrei Tarkowski, John Hillcoat, Hayao Miyazaki, György Palfi, Francis Ford Coppola und Hirokazu Koreeda.