Es ist schon ein recht harscher Ton, der hier im ganz hohen Norden Schwedens, in dem Kaff Vittula, angeschlagen wird. Ein recht unverständlicher auch, ein Kauderwelsch aus schwedisch und finnisch. Die Menschen sind rauh wie das Klima, die Sitten oft an der Gesetzmäßigkeit vorbei schrammelnd und die Luft grundlegend schnapsgeschwängert. Da die Frauen hier sehr fruchtbar sind, spricht man schon mal unmißverständlich vom "Fotzenmoor". Herzlich Willkommen also in Lappland, einer Gegend, in der man an den Fortschritt genauso glaubt wie an pfefferminzgrüne Elchtiere.
Dies nun ist die Wiege einer außergewöhnlichen Freundschaft: der zwischen dem vom brutal-gestrengen Vater mißhandelten Niila und dem aus etwas besserem Hause stammenden Matti. In den 60er Jahren träumen sich die Jungs gemeinsam aus dem zotigen Mief ihrer trinkfesten Umgebung und finden den Schlüssel fürs Tor zur Welt schließlich mit einer knarzig lärmenden Beatles-Single: "Rock’n’Roll-Music". Diese Entdeckung und ein unschuldiger Jungenkuß bilden den Startschuß für das Erobern einer Welt, die das Ende einer an sich recht sorglosen Kindheit bedeutet: sie gründen eine Band, deren Musik anfangs eher als ambitionierter Krach zu definieren ist. Sie verlieren die Unschuld an dicke Frauen, schauen tief und tiefer ins Glas und kommen bald an die Grenzen ihrer Freundschaft. Menschen und deren Träume sind doch verschieden, und das Maß der Bereitschaft, dafür zu kämpfen, auch ...
Eine kluge Entscheidung des Regisseurs war es, sich nicht mit dem Auffahren eines Kabinetts skurriler Figuren und deren Eigenheiten zu begnügen. Dafür ist das Thema der auf die Probe gestellten Freundschaft, der Abnabelung von Elternhaus und Kleinstadtmief und des Befreiungsschlages durch die Musik einfach zu komplex. Manchmal, auch durch den morbiden Zug im Wesen Niilas, wirkt der Film ein bißchen wie Hesse auf Speed.
Doch letztendlich kommt diese bittersüße Ballade aus dem hohen Norden als tragikomische Reise durch das Leben, die Liebe und das Leiden des jungen N. daher, ohne auf schrägen Witz, gehörige Wutausbrüche und einen deftigen Grundton zu verzichten. Das macht den Film mitreißend, nachdenklich, unterhaltsam und authentisch. Ist doch ne ganze Menge ...
Originaltitel: POPULÄRMUSIK FRN VITTULA
S 2004, 100 min
Verleih: Piffl
Genre: Tragikomödie, Erwachsenwerden, Literaturverfilmung
Darsteller: Niklas Ulfvarsson, Max Enderfors
Regie: Reza Bagher
Kinostart: 19.01.06
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.