Es ist die Ambivalenz, die darin liegt, wenn eigentlich großartige Musik irgendwann auf Kitsch, Klischee und Populärkultur prallt, die anhand der wohl berühmtesten amerikanischen Oper aufs Schönste vorgeführt werden könnte.
Susanna Boehm hat das „New York Harlem Theatre“ auf ihrer „Porgy And Bess“-Tournee durch Europa begleitet. Sehr schnell stehen die Fragen im Raum, die eine Inszenierung des Gershwinwerkes, das ausschließlich für eine afroamerikanische Besetzung geschrieben wurde, aufwirft. Sehr ehrlich und plastisch berichten die Sänger von ihren eigenen Erfahrungen mit Mobbing auf der Musikschule, verstecktem und offenem Rassismus und der Schwierigkeit, als „Schwarzer“ in einer von „weißen Rollenmustern“ dominierten Opernwelt zu überleben. „Porgy And Bess“ bietet den meisten die bisher größte Chance ihres musikalischen Lebens. Aber es ist auch die Angst zu spüren, in einer Sackgasse gelandet, festgelegt zu sein.
Boehm fängt ein, wenn darüber geredet wird, ob es nicht auch so ist, daß man als „Schwarzer“ Diskriminierung schon so verinnerlicht hat, daß man sich automatisch selbst zensiert. An diesem Punkt wäre es wichtig gewesen zu entscheiden, ob man die mehr oder minder glückliche „Porgy And Bess“-Familie mit all ihren Hoffnungen, aber auch Konflikten als Ganzes porträtieren will, oder ob man tiefer gräbt und auch anhand der Inszenierung die zur Sprache gebrachten Rollenfestlegungen aufspürt und hinterfragt.
Ist es doch sehr interessant, daß Kostüme und Bühnenbild seit Jahrzehnten ein doch eher folkloristisches Bild „der Schwarzen“ vermitteln, welches dann ein – im Falle des Films – europäisches Publikum bejubelt. Warum singen nicht mittlerweile auch „Weiße“ mit? Diese Art der Provokation bewahrt eventuell davor, nur an der Oberfläche zu kratzen. Sind es doch die Brüche und Überschneidungen zwischen Oper und Leben, die in Boehms Film echtes Interesse wecken.
Es hätte viele Wege gegeben sich dem spannungsreichen Thema anzunähern, die Regisseurin hat sich jedoch leider für den unkritischsten entschieden. Oder anders: Sie hat sich gar nicht entschieden. Nicht für persönliche Porträts, nicht für eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem musikalischen Werk, nicht für eine Beobachtung des Proben- und Touralltags. Und vor allem nicht für einen persönlichen Standpunkt.
Originaltitel: PORGY & ME
D 2009, 86 min
Verleih: Piffl
Genre: Dokumentation, Musik
Regie: Susanna Boehm
Kinostart: 04.02.10
[ Susanne Schulz ]