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Praunheim Memoires

Flirrende Spiegelung von Rosas Welt

Das gepflegte Vorörtchen Praunheim hat einen Männerchor, wie man auf der Tonspur hört. Es verfügt über mindestens eine Metzgerei, wie eines der letzten Filmbilder verrät. Es beherbergte einst eine gewisse Gabi, mit der erste Zärtlichkeiten ausgetauscht worden sein sollen. Es bildet seine Leute nach wie vor am Wöhlergymnasium. Es sonnte sich im Glanz der nahegelegenen Metropolen Offenbach und Frankfurt am Main. Und es brachte einen großen Sohn hervor, der seine alte Verbundenheit nicht nur im Namen führt, sondern sich nun auch herzlich mit einem Film bedankt.

Als Rosa von Praunheim 1954 hierherkam, hieß er noch Holger und war weitgehend ungeküßt. Dann kam Gabi, später ein Klaus, schließlich das namentliche Bekenntnis zu einer Farbe, die seinen künstlerischen und aktivistischen Unternehmungen fortan voranleuchten und hinterherflackern sollte. Doch von Praunheim wäre nicht der queere und quere Filmexzentriker, als den man ihn kennt, hätte er wirklich eine Art retrospektive Ortsbegehung im Sinn gehabt. Denn der Genius Loci, dem er nachzuspüren vorgibt, erweist sich als flirrende Spiegelung von Rosas Welt, die sich an jedem geographischen Ort dieser Erde zu manifestieren in der Lage ist. All die mütterlichen Freundinnen, die Befragten, die mit Poesie aus Jugendtagen Umgarnten („Es summte die Biene im Sarg“), die Betrauerten und freundlich in Treppenhäusern und an Reihenhauspforten Begrüßten sind bei ihm zu Gast, nicht etwa er bei ihnen.

Was den umtriebigen Tausendsassa mit Tanz-, Mal- und Lyrikerfahrung wirklich umtreibt, ist ein mal träumerisch imaginiertes, mal von einem (natürlich in Rosa gewandeten) Alter Ego nachgestelltes Selbstporträt des Künstlers als junger Mann, in dem verlorene Freunde, alte und neue Bekanntschaften fast wie Geister umhergehen. Und so flanieren wir mit ihm durch Erinnerungsräume, die eher zufällig nach Frankfurt, Offenbach oder eben Praunheim aussehen. Seit annähernd 50 Jahren kultiviert Rosa von Praunheim diese konsequent subjektive dokumentarische Haltung, an der man sich ruhig kräftig reiben darf. Allerdings – auch darin bleibt er sich treu – nicht immer mit ästhetischem Lustgewinn. Nein, die Kunst, die er liebt, liebt ihn gelegentlich nicht zurück. Ein paar Fäden gehen verloren, manch ein Loch in der Struktur wäre zu stopfen, manch eine Länge zu kürzen gewesen. Doch Rosas Wunderwaffe gegen formale Mäkelleien ist und bleibt die Schrillheit.

D 2014, 88 min
FSK 0
Verleih: Missing Films

Genre: Dokumentation, Biographie

Stab:
Regie: Rosa von Praunheim
Drehbuch: Rosa von Praunheim
Produktion: Rosa von Praunheim

Kinostart: 12.02.15

[ Sylvia Görke ]