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Puppen aus Ton

... verloren in Tunis

"Tochter der Lüfte und des Windes, ohne Papiere, ohne Identität" - ein Verschwörungslied, mit dem Rebeh und Feddha ihre Solidarität bekräftigen. Sie teilen das Schicksal vieler anderer Mädchen, die aus den armen ländlichen Gebieten in die tunesische Hauptstadt geschickt wurden, um wohlhabende Familien zu bedienen. Es ist ein Handel: mit den Eltern, die auf den Lohn der Töchter angewiesen sind, mit der Hoffnung, daß sich neben der Arbeit auch irgendwann ein Ehemann, ein Versorger einstellt.

Nouri Bouzid, einer der bekanntesten tunesischen Regisseure, zeigt in seiner konzentriert erzählten Geschichte von Rebeh, die vor Jahren nach Tunis kam, dem kleinen Lockenkopf Feddah, der alle Demütigungen noch vor sich hat und ihrem "Vermittler" Omran, daß in diesem allgemein akzeptierten Dienstleistungssystem Geschäfte abgeschlossen werden, bei denen sich alle Beteiligten verkaufen. Die Männer in den Gassen jedoch nehmen sich einfach, was sie brauchen - auch ohne zu bezahlen.

In seinem Heimatdorf sammelt Omran die Mädchen ein, kassiert in Tunis die Provision und versäuft sie noch am selben Abend. Weil er sich nicht ertragen kann, weil er nicht besser als ein Zuhälter ist. Schwanger vom letzten Dienstherrn sucht die im Großstadtgewimmel verloren geglaubte Rebeh in Omrans dreckiger Behausung Zuflucht, trifft auf die ängstliche Kleine, die ein Stück Ton von zu Hause mitgenommen hat, Puppen formt, um sie wieder zum Klumpen zu schlagen. Omran weiß nicht weiter, der Kneiper will nach Mekka pilgern, seine Alkoholquelle wird versiegen.

Bouzid, in den Siebzigern als Oppositioneller inhaftiert, studierte Regie in Brüssel und war Assistent bei Steven Spielberg. Doch mehr noch als dieser "westliche" Hintergrund erzwingt wohl der Blick in einen alles und jeden, auch jede Güte verschlingenden Moloch seinen ungewöhnlich erzählerischen Stil - die stringenter dramatisierte Handlung, mehr Beleuchtung für das Innenleben der Charaktere, mehr Atmosphärenmalerei. Sein dichter, emotionaler Film, der in manchen Motiven an Tourniers "Erlkönig" erinnert, zeigt vor allem die Perversion von arabisch-männlichen Traditionen und großstädtischen Freiheiten.

Originaltitel: ARAÏS AL-TEÏN

Tunesien/F 2002, 90 min
Verleih: EZEF

Genre: Drama

Darsteller: Hend Sabri, Ahmed Hafiane, Oumeya Ben Hafsia, Lotfi Abdelli

Stab:
Regie: Nouri Bouzid
Drehbuch: Nouri Bouzid

Kinostart: 04.11.04

[ Sylvia Görke ]