Der Teenagerfilm war für einige große Namen des amerikanischen Independent-Kinos das Sprungbrett zu einer ansehnlichen Karriere. Zu den bekanntesten der letzten drei Dekaden dürften hierbei Richard Linklater, Larry Clark und natürlich der mittlerweile wieder zu alter Finesse zurückgekehrte Gus Van Sant zählen. Gerade die beiden Letzteren mischten die Filmwelt mit einem bis dato unbekannten, ungeschönten Realismus auf, der oft über die Schmerzgrenze des Zuschauers hinausführte. Mit Laien arbeitend und ganz nah bei ihren Figuren bleibend, tauchten Filme wie KIDS oder ELEPHANT in die Welt der Jugendlichen ein, ohne diese vorzuführen oder zu beurteilen.
Matt Porterfields zweiter Langfilm PUTTY HILL verbreitet die aufregende Stimmung dieser unvergeßlichen Werke, schafft es aber, die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, zwischen Dokumentar- und Spielfilm noch weiter zu verwischen. Um dies zu erreichen, kreierte der Regisseur und Autor eine fiktionale Prämisse, mit der er seine Laiendarsteller, die sich im Grunde selbst spielen, konfrontiert. Cory, ein Junge aus der Nachbarschaft von Putty Hill, einem Arbeiterviertel am Rande von Baltimore, stirbt an einer Überdosis. Am Tag vor seiner Beerdigung versammeln sich seine Familie und Freunde, um über ihre Beziehung zu Cory, und das, was sein Tod bei ihnen ausgelöst hat, zu reden.
Zwischen Inszenierung und Improvisation gelingt es Porterfield, ein authentisches Bild der armen weißen Jugend in Amerika zu zeigen. Baltimore, spätestens seit der Seriengroßtat THE WIRE als Verbrechenshochburg in den Blickpunkt der amerikanischen Öffentlichkeit gerückt, dient als stimmungsvoller Hintergrund, der zugleich erschreckend häßliche und schöne Seiten dieses Milieus offenbar macht.
„Wenn es ein amerikanisches Indendent-Kino noch gibt, dann ist es dieser Film, und wenn es einen neuen interessanten Regisseur hat, dann diesen!“, schreibt der „New Yorker“, und man kann nur beipflichten: ein eindrucksvolles Zweitwerk, das einem angesichts von Gewaltdebatten und nicht abklingen wollendem Abstumpfungsvorwuf zur rechten Zeit wieder vor Augen führt, wie fragil man in dieser Zeit seines Lebens, gerade heute, doch ist.
Originaltitel: PUTTY HILL
USA 2010, 86 min
Verleih: Arsenal Institut
Genre: Drama, Dokumentation
Darsteller: Sky Ferreira, Zoe Vance, James Siebor Jr., Dustin Ray, Cody Ray
Regie: Matt Porterfield
Kinostart: 27.10.11
[ Paul Salisbury ] Paul mag vor allem Filme, die von einem Genre ausgehen und bei etwas Neuem ankommen. Dabei steht er vor allem auf Gangsterfilme, Western, Satire und Thriller, gern aus der Hand von Billy Wilder, Sam Peckinpah, Steven Soderbergh, Jim Jarmusch, den Coen-Brüdern oder Paul Thomas Anderson. Zu Pauls All-Time-Favs gehören DIE GLORREICHEN SIEBEN, TAXI DRIVER, ASPHALT COWBOY, SUNSET BOULEVARD, POINT BLANK ...