Transitbilder aus dem Flughafen, dem Ort, der überall auf der Welt gleich aussieht, und schon ist klar: Es wird ein Film über das Reisen. Ein Rucksackfilm – oder einer über Backpacker, wie es im Vokabular der Weltreisenden heißt, die sich mit dem „Lonely Planet“ ausgerüstet jedes Jahr ein anderes Stück Erde aneignen wollen, möglichst so, daß die Reiseerlebnisse mit den Beschreibungen im universellen Reiseführer übereinstimmen.
Die Spanierin Esperanza ist so eine Backpackerin, die genau weiß, wo sie im Bus sitzen muß, damit ihrer Videokamera die Vulkanlandschaften nicht entgehen. Tristeza, eine andere junge Frau auf dem Weg von Quitto nach Cuenca und zufällig Esperanzas Sitznachbarin im Bus, weiß solche übereifrigen Touristentiraden mit wenigen Worten zu entkräften: Kauf Dir doch eine Postkarte vom Vulkan, dann bist Du auf dem Rest der Reise entspannter.
Esperanza und Tristeza also, Hoffnung und Traurigkeit, zwei ungleiche Frauen, eine flippige Ausländerin und eine spröde Einheimische, die es gar nicht liebt, wenn man sich falsche Vorstellungen von ihrem Land macht. Und dennoch setzen sie ihre Reise zusammen fort, als der Bus aufgrund von Streiks stehen bleibt. Sie trampen zusammen durch die Anden, lassen sich durch zufällige Begegnungen vom Weg abbringen und tun sich mit dem sehr relaxten Jesus zusammen, der so aussieht, wie er heißt.
Die verschiedenen Qualitäten des Reisens verbinden sich auf sanfte und humorvolle Weise: die Erfahrung der offenen Landschaft, der erweiterte Blick auf Fremde und Heimat, die Freundschaft für den Moment. Unterschiede gelten zu lassen und von festen Vorstellungen und Plänen loszulassen. Das gilt vor allem für Tristeza, die auf dem Weg ist, die Hochzeit ihres Geliebten zu verhindern. Ironischerweise tauscht sie dieses Vorhaben gegen die Asche von Jesus’ Großmutter.
So schematisch die Figuren in den Grundzügen auch angelegt sind, es gelingt Tania Hermida doch, sie mit der Authentizität des Augenblicks zu füllen. Das erinnert in manchen Momenten auch an die Backpacker-Doku-Fiction HOTEL VERY WELCOME. Zusätzlich gibt es Lehrreiches über Ecuador. Ein entspannender Film, der einem nichts aufdrängt, aber genug Anknüpfpunkte für die eigenen Gedanken bietet.
Originaltitel: QUÉ TAN LEJOS?
Ecuador 2006, 92 min
Verleih: Kairos
Genre: Roadmovie, Tragikomödie
Darsteller: Tania Martinez, Cecilla Vallejo, Pancho Aguirre
Regie: Tania Hermida
Kinostart: 01.04.10
[ Lars Meyer ] Im Zweifelsfall mag Lars lieber alte Filme. Seine persönlichen Klassiker: Filme von Jean-Luc Godard, Francois Truffaut, Woody Allen, Billy Wilder, Buster Keaton, Sergio Leone und diverse Western. Und zu den „Neuen“ gehören Filme von Kim Ki-Duk, Paul Thomas Anderson, Laurent Cantet, Ulrich Seidl, überhaupt Österreichisches und Skandinavisches, außerdem Dokfilme, die mit Bildern arbeiten statt mit Kommentaren. Filme zwischen den Genres. Und ganz viel mehr ...