Originaltitel: QUEER
USA/I 2024, 135 min
Verleih: MUBI
Genre: Drama, Literaturverfilmung, Schwul-Lesbisch
Darsteller: Daniel Craig, Drew Starkey, Lesley Manville
Regie: Luca Guadagnino
Kinostart: 02.01.25
Als einer der größten erotischen Filmemacher der Gegenwart genießt Luca Guadagnino Sonderstatus. Weil die Erotik, die er in seinen Werken in immer neuen Konstellationen erkundet und durchspielt, weder rein affirmativ stimulierender, pornographischer Natur noch rein theoretische Kopfsache ist. Sie wird mit einer solchen ästhetischen Sinnlichkeit inszeniert, aber auch so radikal ambivalent gezeichnet, daß sie Lust und Schmerz, Liebe und Verlust immer als Gleichzeitigkeit betrachtet. Das reicht etwa vom Ende einer Sommeraffäre (CALL ME BY YOUR NAME) über Erotik als sportliche Kampfzone (CHALLENGERS) bis zum Kannibalismus (BONES AND ALL) als letztes Mittel, das Gegenüber in einem sexuellen Sinne ganz wörtlich zu vereinnahmen, mit ihm eins zu werden.
In Guadagninos neuem Film QUEER ergibt die Sehnsucht, den Anderen zu besitzen, ihn zu lieben und nie zu verlieren, erneut hochgradig pathetische, aber im Kern ehrliche, anrührend schmerzhafte Bilder. Sie zeigen mal schemenhafte Geisterhände, die nach dem Love Interest im Kinositz ausgestreckt werden, mal eine Drogen-ekstase, bei der das nackte Fleisch zweier Liebhaber miteinander verschmilzt. QUEER ist die kongeniale Adaption des gleichnamigen autobiographischen Skandalromans von William S. Burroughs, dessen Ebenbild und Alter Ego hier vom ehemaligen Bond-Star Daniel Craig verkörpert wird. Eine eindrucksvolle Darstellung, nicht nur in seiner Entblößung, sondern auch im Kokettieren mit der Künstler-Persona, der Roman- und Filmfigur und dem sozialen Schauspiel! Lee, so heißt der drogenabhängige, getriebene Protagonist, ist aus den USA ins mexikanische Exil gegangen, wo er in den 50er-Jahren von Nacht zu Nacht treibt und sich mit seiner Homosexualität befaßt, die er als Performance immer wieder austestet und zur unsicheren Rolle formt.
QUEER gehört in seiner vignettenartigen Struktur, der betont künstlichen Studioästhetik, seinem brüchigen Erzählen und den surrealen Trip-Sequenzen zu den gewagtesten Filmen des Regisseurs. Stark und nachhallend ist er dennoch wie eh und je. Seine Wandlung vom Begehren zur Qual, von der Erregung zur Enttäuschung, der Zuneigung zum Verletzen sowie der existenziellen Angst vor Alter und Einsamkeit ist so herzergreifend und bitter auf den Punkt gebracht – ein weiteres großartiges Werk von Guadagnino!
[ Janick Nolting ]