Originaltitel: QUERÊNCIA
Brasilien/D 2019, 90 min
Verleih: Arsenal Institut
Genre: Drama
Darsteller: Marcelo di Souza, Kaic Lima, Carlos Dalmir
Regie: Helvécio Marins Jr.
Kinostart: 16.01.20
Marcelo lebt als Cowboy im ländlichen Teil des Bundesstaates Minas Gerais, in der brasilianischen Pampa. Helvécio Marins Jr. stimmt uns auf ein meditatives Kinoerlebnis ein, indem er den Zuschauer fast in Echtzeit daran teilhaben läßt, wie die Rinder in die Ställe getrieben werden und die Angestellten der Farm zusammen beten. Er läßt die Abende verrinnen, an dem die Männer gemeinsam sitzen, trinken und nur wenig reden. Allenfalls sporadisch erfahren wir im Laufe der Handlung Persönliches über Marcelo – und eigentlich gegen den Strich einer stringent zu bezeichnenden Dramaturgie. Die Personen werden nicht eingeführt, kein echter Spannungsbogen aufgebaut.
So ist die hübsche junge Frau, die plötzlich auftaucht, letztlich seine Schwester, der Überfall, der Marcelos Leben erschüttert, trifft eigentlich nicht sein Eigentum, denn er ist ein Angestellter, wie erst im letzten Drittel erzählt wird. Aber trotzdem sind es seine Rinder, die gestohlen wurden, denn sein Verhältnis zu den Tieren ist eng. Marins streut diese Informationen wie nebenbei in Gesprächen ein, genauso wie er politische Themen fast beiläufig setzt: die Differenzen zwischen Stadt und Land, die Korruption in der Politik, die ethnischen Konflikte. Marins interessiert sich weder für den Kriminalfall des Rinderdiebstahls, noch will er in die Seele seiner Figuren eintauchen, es geht ihm vielmehr darum, eine spezifische Lebensform förmlich atmen zu lassen.
Dabei bedient er sich einer äußerst zurückhaltend beobachtenden Kamera, seine Darsteller sind Laien, und die Geschichten, die der Film erzählt, basieren auf realen Vorkommnissen in der Region. Rodeo ist dabei ein wichtiger Bestandteil in der Tradition des ländlichen Brasiliens und Marcelos große Leidenschaft. Hier blüht er auf, wenn er als Ansager die Teilnehmer vorstellt und das Publikum zum Toben bringt. Oft sind es nur Sekunden, die ein Reiter sich auf dem Bullen halten kann. Aber es sind Momente des puren Nervenkitzels und Ruhms. Und die Insignien einer männlichen Welt, in der die Frauen schön sind und anerkennend zusehen.
Trotzdem zeichnet Marins nicht das Bild des brasilianischen Machismo. Es ist eher das des einsamen Cowboys, aber so ganz ohne Romantisierung. Wenn man so will, ein südamerikanischer „Western“, der sich nicht festlegt auf Fiktion versus Dokument, der seinen Helden weder aufsteigen noch fallen läßt und ebensowenig von Rache, Vergeltung oder Liebe erzählt.
[ Susanne Kim ] Susanne mag Filme, in denen nicht viel passiert, man aber trotzdem durch Beobachten alles erfahren kann. Zum Beispiel GREY GARDENS von den Maysles-Brüdern: Mutter Edith und Tochter Edie leben in einem zugewucherten Haus auf Long Island, dazu unzählige Katzen und ein jugendlicher Hausfreund. Edies exzentrische Performances werden Susanne als Bild immer im Kopf bleiben ...