D 2016, 85 min
FSK 12
Verleih: Concorde
Genre: Erwachsenwerden, Komödie
Darsteller: David Hugo Schmitz, Hauke Petersen, Peter Lohmeyer, Elke Heidenreich, Willy Thomczyk, Ralf Richter
Regie: Matthias Kutschmann
Kinostart: 17.11.16
Wenn man das Steigerlied anklingen läßt, von Archivbildern rausgeht und rein in die frühen 80er taucht, und wenn man dazu mitten aus dem Ruhrpott erzählt, dann braucht man auch echte Typen. Und da kann man schon mal sagen – die sind in RADIO HEIMAT nicht zu knapp gesät. Nicht nur die Jungs, auf karierten Wolldecken gezeugte Haldenkinder, deren Erwachsenwerden im Zentrum der Geschichte steht, sind echte Typen, Sprücheklopfer und Auf-den-Putz-Hauer: Die alten Säcke drumherum, die übern Gartenzaun Wissendes und manchmal wissentlich Hohles ergießen, die Krawallkasper, die drohen, einem den Arsch auf links zu drehen, und die Kittelschürzenweiber, die darauf pochen, daß et hätt noch emmer joot jejange– die stehen für eine unverbrüchliche Pottromantik, die ruppig wie herzlich und ohnehin mit nix zu vergleichen ist. Und das zu beklatschen, manchmal mild zu belächeln und dem in noch jedem Moment mit gehöriger Kohleofenwärme zu begegnen – das und nicht weniger ist Matthias Kutschmann mit seiner Hymne auf das Ruhrgebiet gelungen.
Auf die mit Vico Torriani groß gewordenen Alten können sie nicht zählen, wenn Frank, Mücke, Spüli und Pommes Fragen haben, wie das klappt mit den Frauen. Die väterlichen Empfehlungen sind rustikal, die Tanzschule bringt den Erfolg nicht, eine Band wird gegründet, dann läuft das. Mehr oder weniger. Weitere fragwürdige Methoden werden getestet, doch was soll helfen? Kampfsaufen, Nachhilfeunterricht, sich überwinden, Nena doch ganz gut zu finden? Auf der Klassenfahrt lassen sich noch immer Probleme klären, Hemmungen fallen, Rätsel werden gelöst, auch dieses, warum Spüli aus seinem Schlag bei Mädels bisher nix machte ...
Kutschmann ist ein Film wie ein Fingerschnippen gelungen, er schaut schon beim Typecasting ein wenig nach den Klassikern des Teenkinos, taucht seinen Plot aber geschickt ins passende Kolorit: Partykeller und Pilspulle, Pettingträume und ein nach hinten losgehender Strippoker geben den Rahmen für eine Geschichte übers Erwachsenwerden, übers Bewußtsein, daß die Hübscheste in der Klasse manchmal eben doch auch nur eine Tussi mit Travolta-Poster an der Wand und Branduardi-Melancholie auf der Mädchenbettwäsche ist.
RADIO HEIMAT hat ein großes Herz für all jene, die sich finden müssen, deren Selbstbewußtsein erst eins werden soll, und der Film hält Wahrheiten parat: Die zum Beispiel, nach der die Typen mit der größten Fresse als letzte einen wegstecken.
[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.