Originaltitel: LES CHAMBRES ROUGES
Kanada 2023, 119 min
FSK 16
Verleih: 24 Bilder
Genre: Thriller, Drama, Killer
Darsteller: Juliette Gariépy, Laurie Babin, Elisabeth Locas, Maxwell McCabe-Lokos
Regie: Pascal Plante
Kinostart: 07.11.24
Kelly-Annes Nächte dürften ziemlich kühl ablaufen, weil das Model, Online-Pokerprofi und Hackerin stets vor dem Gerichtsgebäude schläft. Muß eben machen, wer einen vorderen Schlangenplatz besetzen will, um Zuschauerzugang zum Prozeß gegen Ludovic Chevalier zu haben. Der unscheinbare, stumm seine Hände ringende Kahlkopf folterte laut Anklage drei minderjährige Mädchen bestialisch zu Tode, eine Horde Perverser zahlte fürs Ansehen.
Das Videomaterial, später den Geschworenen vorgespielt, gelangt dabei nicht zu unserer Sichtung, es wirkt der Ton. Und alles, was die Staatsanwältin während ihres Eröffnungsplädoyers redet, wie anatomisch trocken sie Details aufzählt, zerschnittene Augäpfel, hervortretende Eingeweide erwähnt. Danach lächelt der Verteidiger gewinnend, nennt Chevalier jovial beim Vornamen, die Kamera durchmißt dazu in unablässiger ruhiger Bewegung suchend den würgweiß sterilen Saal. Findet kein typisches Gerichtsdrama, hier blökt niemand ständig „Einspruch!“ oder bebrüllt Zeugen. Es genügt, wenn die Mutter eines Opfers gemaßregelt wird – sie erdreistet sich, nicht nur reine Informationen zu liefern, zeigt Emotionen. Ach so kalt, Frau Anwältin.
Gefühle sind ebenfalls nicht Kelly-Annes Sache, die in einer luxuriösen Glas-und-Metall-Bude hockt, allein mit bestem Panoramablick sowie einer gepimpten KI. Motivationen, Gründe, Ziele? Vorerst gut verhüllt, diesen wichtigen Teil des Charakterpuzzles verschweigt das Skript bewußt, konzentriert sich auf Kleinigkeiten, etwa mäkeliges Eßverhalten. Kelly-Anne, das übertechnisierte Phantom, ein nahezu perfekt funktionierender Automat in humaner Hülle. Sie/es/er lernt Clémentine kennen, doch auch die potentielle Freundin bleibt draußen, steht vor mentalen Mauern. Darunter jene eigener psychischer Labilität: Clémentine hat sich verliebt, der Erwählte heißt Ludovic Chevalier.
Immer unerbittlicher zieht das eine bösartige Schlinge puren Frosts zusammen, ein Arrangement aus menschlichen Abgrundsbebilderungen fern jedes klar umrissenen Bildes, schwebender Trauermusik und (nicht bloß) finsterer Medienschelte. Egal, ob eine TV-Show geschmackloseste Witze reißt oder sich Chevalier wohl kaum selbst sensationsgeifernd „Dämon von Rosemont“ ruft. Meisterhaft inszenierte totale Bedrückung – und trotzdem läßt nichts ein Finale ahnen, welches die Handlung auf gleich mehreren Ebenen schließt, parallel aber neue öffnet. Deren Betriebstemperatur? Sie wissen es.
[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...
Regina Palast: 18:30
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