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Remainder

Vor, zurück, zur Seite, ran. Und Eins, und Zwei …

Eine Straße, ein Koffer, ein junger Mann. Und ein Ding, das vom Himmel durch ein Londoner Glasdach rauscht, ihn unter sich begräbt und nicht nur seine Knochen kaputtschlägt, sondern alles, was ihn einmal ausgemacht hat. Denn als der junge Mann aus dem Koma erwacht, mühsam zusammengeflickt von den Ärzten, körperlich halbwegs wiederhergestellt, ist die Erinnerung weg: an den Unfall sowieso, aber auch an die eigene Identität. Unglaubliche achteinhalb Millionen Pfund beträgt das Schmerzensgeld, das sein Anwalt in einem außergerichtlichen Vergleich für ihn heraushohlen konnte. Einzige Bedingung ist völliges Stillschweigen. Aber was wäre schon auszuplaudern, wenn man sich noch nicht einmal an sich selbst, geschweige denn an dieses Ding erinnert?

Tom McCarthy, ganz sicher einer der aufregendsten britischen Romanciers der letzten Jahre, hat mit „Remainder“ ein vertracktes Stück Bewältigungsliteratur vorgelegt, bei dem nicht klar wird, was zu bewältigen ist. Nein, das Wie ist sein Thema. Wie läßt sich eine verlorene Welt zurückkaufen, wenn man über Unsummen von Geld, aber kaum über gesicherte Fakten verfügt? Dieses Wie treibt nun auch Omer Fast um. Und wie! In seinem Spielfilmdebüt schickt der konzeptuell beschlagene Videokünstler McCarthys namen- und gedächtnislosen Helden auf einen elegant gestalteten und raffiniert codierten Trip durch ein London als Wille und Vorstellung.

Denn der junge Mann läßt kurzerhand nachbauen, was ihm da als vermeintliche Erinnerung durch den Kopf geht. Ganze Gebäude, bevölkert von Schauspielern, die zur Reproduktion von chimärenhaften Trugbildern angeheuert wurden. Ganze Szenen mitsamt Akteuren, mit Rissen im Putz, mit Gerüchen und Geräuschen, Wiederholungen und Präzisierungen. Immer brutaler setzt er seine Visionen um – egal, wie viele Katzen für seine Reenactments nachgekauft, wie viele Rollen wegen tödlicher Zwischenfälle neu besetzt werden müssen.

Auch Omer Fast kennt bei der Umsetzung seiner Vision kein Pardon. Er legt Hand an die literarische Vorlage, als wollte er sie erwürgen, läßt weg, was nicht vorwärtsbringt, konstruiert narrative Bypässe, wo keine waren, und erfindet: zum Beispiel das Ende, oder die am Thriller orientierte Atmosphäre. Und trifft doch den explosiven gedanklichen Kern des Romans: Wer die Mittel hat, bestimmt, was authentisch ist. Wer Regie führt, hat Recht.

Originaltitel: REMAINDER

GB/D 2015, 104 min
FSK 16
Verleih: Piffl

Genre: Literaturverfilmung, Schräg, Thriller

Darsteller: Tom Sturridge, Cush Jumbo, Danny Webb, Nicholas Farrell

Regie: Omer Fast

Kinostart: 12.05.16

[ Sylvia Görke ]