Noch keine Bewertung

Remember

Die Rache der Demenz

Natürlich werden wir in an dieser Stelle den Teufel tun, das Ende zu verraten. Regisseur Atom Egoyan selbst bereitet den Twist, die Pointe oder wie immer er seinen Schluß genannt haben mag, so akribisch, ausführlich, quasi mit offenem Verdeck vor, daß man ihn schon zeitig zu kennen glaubt. Better Kill Your Darlings, auch wenn es Handlungsstränge sind!

In REMEMBER geht es wirklich ums Erinnern. Es ist das Lieblingsthema Egoyans, gepaart mit der höchst individuellen Reflexion von Ereignissen privat oder gesellschaftlich relevanter Natur, von Unfällen oder Genoziden. In den 90ern hatte der Kanadier den Cineasten Fundstücke beschert, die in virtuellen Vitrinen der Filmkunst zu bestaunen sind, allen voran EXOTICA und DAS SÜSSE JENSEITS. Als die Nullen in die Jahreszahlen zogen, verließ ihn das Gespür. Was blieb, ist Egoyans drängender Wille, sich nicht der Konformität zu beugen. Indes, es führte zur Verzettelung.

Daß auch die letzten Täter des Holocaust aus dem Leben scheiden, nachdem sie lange Zeit in zumeist deutschlandferner Tarnung verbracht haben, ist ein Fakt. Daß ihre Geheimnisse mit ihnen in Urnen und Särge wandern, ebenso. Es sei denn, sie fliegen auf. Auch in einem Altenheim in den USA brennt noch das Flämmchen der Rache, die Freunde Zev und Max halten es am Züngeln. Ersterer macht sich auf den Weg, Letzterer gibt ihm per Brief detaillierte Anweisungen.

Max Kurlander soll er sich nennen, jener Blockführer von Auschwitz, der die Familien von Zev und Max auf dem Gewissen hat. Vier Kurlanders hat Max in Nordamerika ausfindig gemacht, einer von ihnen muß der Richtige sein. Im Rollstuhl sitzend, erscheint Max die Reise unmöglich. Zev hat „nur“ Demenz, ist aber noch ordentlich zu Fuß. Und er hat seiner kürzlich verstorbenen Frau ein Versprechen gegeben. Zev klappert und zittert sich zu den Wohnorten aller vier in Frage kommender Männer. Was und wen er dabei findet, wird nicht nur ihn mehr und mehr zermürben.

Hut ab vor dem jetzt 86jährigen Christopher Plummer, der sich dieser Rolle aufrecht aussetzt und hingibt. Einem Charakter, der es vor lauter Botschaft und Pathos, die ihr vom Drehbuch angedichtet werden, schwer hat. So agiert Plummer in seiner Figur durchaus glaubwürdig, leistet es allerdings für einen Plot, der, von Behauptungen und Symbolen getrieben, zwischen Thriller-Attitüde und Hoch-Drama ächzt und keucht.

Originaltitel: REMEMBER

Kanada 2015, 95 min
FSK 12
Verleih: Tiberius

Genre: Drama, Schicksal, Thriller

Darsteller: Christopher Plummer, Bruno Ganz, Jürgen Prochnow, Martin Landau

Regie: Atom Egoyan

[ Andreas Körner ]