D 2024, 115 min
FSK 12
Verleih: Majestic

Genre: Biographie, Dokumentation

Regie: Andres Veiel

Kinostart: 31.10.24

2 Bewertungen

Riefenstahl

Fragmentierter Blick auf eine deutsche Karriere

Ein Name öffnet Türen. So kam es, daß die Journalistin Sandra Maischberger den Nachlaß Leni Riefenstahls, der bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz liegt, sichten und die Vereinbarung für einen Film treffen konnte. Gewissermaßen mußte es diesen Film also geben, ob es ihn zwingend gebraucht hat, ist eine andere Frage. Denn: Riefenstahls Genius als Künstlerin ist längst genauso gut belegt wie ihr enormer Ehrgeiz, Narzißmus, Opportunismus – und ihre viel zu große Nähe zu Hitler sowieso. Sattsam bekannt ist auch Riefenstahls Weichzeichner-Auslegung des eigenen Wirkens.

Zu Maischberger als Filmproduzentin gesellte sich der renommierte Dok-Filmer Andres Veiel, und beide äußerten sich frenetisch über das gesichtete Material aus dem 700-Kisten-Nachlaß, in dem sich so viel Neues und Entlarvendes finden ließ. Warum aber fand davon so wenig in den nun vorliegenden Film? Denn in der Tat gibt es hier kaum Neues über Riefenstahls Nazi-Klüngeleien, ihre Lügen und Ausblendungen, was nicht bereits Ray Müller 1993 in seinem wesentlich tiefer schürfenden Film DIE MACHT DER BILDER oder der zu früh gestorbene Autor Jürgen Trimborn in seiner kritischen Riefenstahl-Biographie aus dem Jahr 2002 aufgezeigt hätten.

Erstaunlich ist, wie fragmentarisch der sonst so gründliche Dokumentarist Veiel hier arbeitete. Dazu gehört, daß bei den kompromittierenden Fragen in den archivierten Riefenstahl-Interviews die Antworten häufig nicht gezeigt werden. Dieses Stilmittel lädt ein mündiges Publikum aus. Und wie so oft bei der Beschäftigung mit Riefenstahls künstlerischer Vorliebe für das Schöne und Perfekte wiederholt sich leider auch hier das eher kleinkindhafte Implizieren, wonach der Künstlerin daraus auch unbedingt eine Ablehnung des Unperfekten und Kranken nachzusagen sei und daher jedes Motiv per se nach Faschismus muffelt. Schon Trimborn hatte berechtigte Zweifel an derartiger Pauschalverurteilung.

Nun muß man Riefenstahl gewiß nicht verteidigen, doch Müller erkannte bereits vor über 30 Jahren in DIE MACHT DER BILDER: Nach dem Krieg lud eine ganze Nation ihr schlechtes Gewissen auf Riefenstahl, sie wurde boykottiert und geächtet. Zweifelsfrei hat Riefenstahl wahrlich genug falsch entschieden, die Arbeit am Reichsparteitagsfilm TRIUMPH DES WILLENS gehört dazu, ebenso das bornierte Negieren, als es längst Beweise für den wissentlichen Komparsen-Einsatz von Lager-Zigeunern für ihren Film TIEFLAND gab. Aber es existieren eben auch Bewegtbildbelege, daß Riefenstahl es bereute, TRIUMPH DES WILLENS gemacht und Hitler zu lange regelrecht backfischartig angehimmelt zu haben.

Dies und auch die filmhistorischen Pionierleistungen Riefenstahls interessieren die Filmemacher nicht ­ – für ein Porträt, das eben diesen Namen RIEFENSTAHL trägt, eine störende Unwucht, die auf Demontage zielt. Generell ist RIEFENSTAHL eher eine journalistische als filmische Arbeit, steckt mehr Maischberger als Veiel drin, wohl auch, weil Maischberger eine Rechnung offen hatte, spürte sie als noch recht junge Journalistin, wie ihr die hundertjährige Riefenstahl in einem ihrer letzten Interviews glatt ins Gesicht log ...

Sicherlich auch ihrem starrsinnigen Festhalten an einer sehr flexiblen Wahrheit geschuldet, findet sich im Umgang mit Riefenstahl seit Jahrzehnten zweierlei Maß. So hatte der Volksschauspieler Heinz Rühmann eine freundschaftliche Nähe zu Göring und Goebbels, auf deren Drängen verließ er seine jüdische Frau, und auch er ließ sich für filmische Propaganda einspannen, blieb aber nach dem Krieg weiterhin Publikumsliebling und erhielt in den 60er-Jahren gar das Große Bundesverdienstkreuz.

Maischberger und Veiel attestieren ihrem Werk, der Film zur Stunde zu sein. Nun präferiere ich derartige Bewertung doch lieber von außen und möchte Kino länger Überdauerndes zutrauen, umso dringender stellt sich Frage, ob der Fundus nicht eher in rein wissenschaftliche Hände gehört hätte, um nüchterner, ambivalenter und jenseits des Zeitgeists zu bewerten.

Riefenstahl war der NS-Ideologie in jedem Fall zu lange erlegen und gehörte zu den NS-Profiteuren, aber sie war kein Nazi, auch niemals Mitglied in der NSDAP und wurde nach vier Spruchkammerverfahren als „Mitläuferin“ eingestuft (Rühmann übrigens auch). Mindestens aber trifft sie ein sehr hohes Maß an moralischer Schuld. Eine Schuld, die auch Millionen Deutsche auf sich geladen haben, als sie durch halboffene Türen schweigend zusahen, wie ihre jüdischen Nachbarn aus ihren Wohnungen gezerrt wurden.

[ Michael Eckhardt ] Michael mag Filme, denen man das schlagende Herz seiner Macher auch ansieht. Daher sind unter den Filmemachern seine Favoriten Pedro Almodóvar, Xavier Dolan, François Ozon, Patrice Leconte, Luis Buñuel, John Waters, François Truffaut, Pier Paolo Pasolini, Ingmar Bergman. Er mag aber auch Woody Allen, Michael Haneke, Hans Christian Schmid, Larry Clark, Gus Van Sant, Andreas Dresen, Tim Burton und Claude Chabrol ...
Bei den Darstellern stehen ganz weit oben in Michaels Gunst: Romy Schneider, Julianne Moore, Penélope Cruz, Gerard Depardieu, Kate Winslet, Jean Gabin, Valeria Bruni-Tedeschi, Vincent Cassel, Margherita Buy, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert ...
Eine große Leidenschaft hat Michael außerdem und ganz allgemein für den französischen Film.

Riefenstahl ab heute im Kino in Leipzig