Wie aus dem Nichts tauchte im Wettbewerb der Berlinale 2006 ROAD TO GUANTANAMO von Michael Winterbottom auf. Der Brite gewann bereits mit dem aufwühlenden Flüchtlingsdrama IN THIS WORLD den Goldenen Bären. Sein neuer Film hätte zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können. Wieder stellt er sein Können in den Dienst eines politischen Anliegens, formuliert mit Wucht und Vision die Odyssee dreier junger Männer aus der britischen Provinz über Pakistan in das berüchtigte Gefängnis von Guantanamo. Das alarmierende Schicksal der "Tipton Three" ging in die Geschichte ein.
Asif ist ein junger pakistanischstämmiger Brite mit durchschnittlichem Leben. 2001 fährt er zur Hochzeit nach Pakistan, seine Freunde Ruhel und Shafiq begleiten ihn. Als sie in Karachi eintreffen, wird das Land von amerikanischen Bombardements erschüttert, die jungen Männer geraten zwischen die Fronten. Als sie nämlich einem Hilfsaufruf für das benachbarte Afghanistan folgen, werden sie in der Taliban-Hochburg Kunduz als vermeintliche Terroristen festgenommen. Es folgt eine schockierende Irrfahrt durch britische und amerikanische Haftlager, die mehr als zwei Jahre dauern soll.
Von zwei oder drei ungenauen Momenten abgesehen (Warum fahren die jungen Männer nach Afghanistan?), ist ROAD TO GUANTANAMO hochkonzentriertes, polarisierendes Politkino. Erneut nutzt Michael Winterbottom, diesmal mit Co-Regisseur Mat Whitecross, die bestechenden Mittel der Doku-Fiction, um skandalöse Begebenheiten nachzustellen. Ohne Scheu werden Machthaber angeprangert und Namen genannt. "Hier ist der Beweis, wie sie Osama Bin Laden zujubeln!" wird da einem Gefangenen anhand des verschwommenen Bildes einer riesigen Menschenmenge vorgeworfen. Die Gefangenenverhöre, egal ob durch Briten oder US-Militärs, wirken ebenso lächerlich wie erschütternd und wurden von einigen der gezeigten Militärbeauftragten bereits bestätigt.
Am Ende des zornigen und kraftvollen Werkes stehen Forderungen im Raum: Nach einem Rücktritt des angeblich mächtigsten Mannes der Welt, nach der Aufhebung des Sonderstatus der USA, nach dem Bekenntnis des Weißen Hauses zu internationalem Recht und vor allem nach der Schließung des barbarischen Gefängnisses in Guantanamo. Klarer als Winterbottom und Whitecross können Filmemacher nicht Stellung zum Zeitgeschehen beziehen.
Originaltitel: THE ROAD TO GUANTANAMO
GB 2006, 95 min
Verleih: Falcom
Genre: Drama, Polit, Schicksal
Darsteller: Rizwan Ahmed, Farhad Harun, Arfan Usman
Regie: Michael Winterbottom, Mat Whitecross
Kinostart: 21.09.06
[ Roman Klink ]