Originaltitel: ROMAN J. ISRAEL, ESQ.

USA 2017, 123 min
FSK 6
Verleih: Sony

Genre: Drama

Darsteller: Denzel Washington, Colin Farrell

Regie: Dan Gilroy

Kinostart: 19.04.18

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Roman J. Israel, Esq.

Vom Paulus zum Saulus

Gar nicht lange hin, bis man sich fragt: Reden die wirklich so? „Die“ meint jetzt Roman J. Israel stellvertretend für alle genialen, aus der Zeit gefallenen (diese schreckliche Brille!) und moralisch unangreifbaren Anwälte. Keine Ahnung, wie es bei den drei anderen erklärt wird, in Israels Fall muß mal wieder kurz angedeuteter und sämtliche gängigen Vorstellungen abdeckender Autismus dafür herhalten, warum er Frauen eigener Hautfarbe schon despektierlich „Schwestern“ ruft und Sätzen oft einen coolen Spruch zufügt. Das rhetorisch Glatte, Unverbindliche dürfte hingegen auf normaler Berufskrankheit beruhen. Seit 26 Jahren arbeitet der Mann in einer Zwei-Mann-Kanzlei weit unter Wert, der kämpferischen Sache wegen, für Gerechtigkeit statt angehäuften Reichtums.

Als sein Partner/Mentor William Henry Jackson einen Herzinfarkt erleidet, geschieht dreierlei gleichzeitig: Plötzlich spricht jeder über Jackson im Präteritum, obwohl er derzeit „nur“ komatös ist. Dazu verliert Israel den Job, und schließlich soll George Pierce, ein Ex-Student von Jackson und zum gewissenlosen Star der Branche aufgestiegen, Schuldenberge sichten, Außenstände eintreiben, die Abwicklung vornehmen. Da wedelt Colin Farrell dandyhaft mit dem protzig beringten Finger und sieht beim Hinterlassen schleimiger Pfützen hauptsächlich gut aus, darüber hinausgehende Anstrengungen verlangt die Rolle kaum. Israel allerdings steht vor der Erfordernis, eine neue Stelle zu finden, und er bemüht sich tatsächlich massiv; ohne Erfolg. Was bleibt ihm daher übrig, er wechselt zum geldgeilen Pierce – und verkauft sukzessive seine Ideale.

Klar, es gibt sie, extrem starke Momente, knisternde Magie, exemplarisch dann, wenn James Newton Howards Musik zur pulsierenden Nachtfahrt bittet, oder Israel zum kleinen, einsamen, vom tosenden Meer umspülten Punkt schrumpft. Inhaltliche Höhepunkte markiert parallel das fortwährende rechnerische Bestimmen eines Menschenlebens durch meßbare Werte. Als verhängtes Strafmaß, auf der Abrechnung fixierter Tagessatz, am Schreibtisch (un-)ausgehandelter Deal zwischen Anklage und Verteidigung, welcher weitreichende und manchmal fatale Konsequenzen zeitigen kann, was eine Schlüsselszene zeigt. Ebenso häufig jedoch läßt NIGHTCRAWLER-Regisseur Dan Gilroy sein Drehbuch auf Gemeinplätze und bloß vermeintlich überzeugende Ideen bauen – hat Israel zum Beispiel endlich (und vermutlich erstmals) einen ordentlichen Haarschnitt, mag das wohl theoretisch Konformität suggerieren, wirkt praktisch indes störend belehrend. Obendrein will offenbar nicht jeder Dialog Aussagekraft und Tiefe beisteuern: „Passen Sie auf sich auf!“ – „Ja.“ – „Na, das bezweifle ich.“ Daß Israels Niedergang weiterhin stets sehr geordnet verläuft (Autist halt) und über einen optionalen Rückwärtsgang verfügt, nagt am emotionalen Brustdruck des Geschehens, bedingt außerdem eine spürbare Unentschlossenheit: Worauf stellt Gilroy letztlich ab?

Aber im Zweifel eben für den Angeklagten, weswegen es nötig scheint, ganz dicke Eulen nach Athen zu tragen und Denzel Washington erneut Brillanz zu attestieren. Washington verzichtet darauf, Israel zu spielen, vielmehr inhaliert er den Charakter regelrecht, taucht zum Grund einer komplizierten Seele und schreckt nie davor zurück, auch deren Abgründe derart einschneidend auszuloten, wie es dem Film selbst selten gelingt.

[ Frank Blessin ] Frank mag Trash, Grenzgängerisches und Filme, in denen gar nicht viel passiert, weil menschliche Befindlichkeiten Thema sind. Russ Meyer steht deshalb fast so hoch im Kurs wie Krzysztof Kieslowski. Frank kann außerdem GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN mitsprechen und wird IM GLASKÄFIG nie vergessen ...