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Roman Polanski: A Film Memoir

Unter Freunden

Regisseur und Schauspieler Roman Polanski schleppt mit seinen 79 Lebensjahren schwer am Gepäck, das mit Regieführen und Rollenspiel so gut wie nichts zu tun hat. Es ist eine Mut-maßung, wenngleich eine reizvolle, inwieweit die privaten Unglücke sein filmisches Schaffen beeinflußt haben, was wir von ihm gesehen hätten, wäre all das nicht passiert. Denn es geschah an markanten Karrierepunkten. 1969 wurde Polanskis Frau Sharon Tate ermordet, nachdem mit ROSEMARY’S BABY das wohl wichtigste Werk seiner frühen Hollywood-Phase erschienen war. 1977 wurde der in Paris geborene Sohn polnischer Eltern wegen Sex mit einer 13jährigen angeklagt, woraufhin Polanski aus den USA flüchtete, nie mehr einreiste und sich das dortige überaus erfolgreiche Arbeiten bis in die Gegenwart erledigte.

„Wenn einst eine Filmdose auf mein Grab gelegt werden sollte ...“, sagt Roman Polanski in der Dokumentation A FILM MEMOIR, „ ... dann muß es DER PIANIST sein“. Mit diesem monumentalen Streifen reflektierte er 2002 durchaus autobiographisch die Nazizeit in Polen. Polanski stockt immer wieder die Stimme, Tränen schießen in seine Augen, wenn er darüber spricht. Seinem Gegenüber sind solche intimen Momente sicher nicht fremd, denn Filmproduzent Andrew Braunsberg zählt zu Polanskis langjährigen und besten Freunden. Für A FILM MEMOIR führte er Gespräche mit Polanski in dessen Haus im schweizerischen Gstaad. Laurent Bouzereau filmte und illustrierte die Interviews mit Archiv-material. Vorteil und Krux sind also gesetzt, denn die Vertrautheit der beiden Protagonisten schafft wunderbare Momente der Reflexion auf ein wahrhaft bewegtes Leben, das sich auf der Zielgeraden befindet. Andererseits ist kritisches Nachfragen nicht zu erwarten. So wird aus der im Stil konventionellen Doku weder Werkanalyse noch Enthüllung.

Und wieder waren zum Zeitpunkt der ersten Aufnahmen sehr unfilmische Dinge geschehen: Roman Polanski wurde 2009 bei der Einreise in die Schweiz verhaftet und stand unter Hausarrest. Die unendliche Geschichte wirkt(e) noch immer nach. Dabei sind die Kinofreunde in erster Linie darauf gespannt, was vom einflußreichen Regisseur nach DER GOTT DES GEMETZELS als nächstes kommen wird. Doch allein über sein so großartiges Lebenswerk zu sprechen, ohne ein Komma zu setzen und ins Persönliche zu gleiten, bleibt schwierig. Das ist pure Tragik.

Originaltitel: ROMAN POLANSKI: A FILM MEMOIR

GB 2011, 90 min
FSK 12
Verleih: Eclipse

Genre: Dokumentation, Biographie

Regie: Laurent Bouzereau

Kinostart: 30.08.12

[ Andreas Körner ]